Rugby-WM-Premiere: Deutschland schlägt sich achtbar
Platz 18 bei WM-Premiere:Deutsches Rugby-Team schlägt sich achtbar
von Denis Frank, Kapstadt
12.09.2022 | 08:18
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Die Nationalmannschaft im Siebener Rugby hat die WM-Premiere in Kapstadt auf Platz 18 beendet. Damit hat Deutschland immerhin sechs Teams hinter sich gelassen.
Kapitän Carlos Soteras Merz in der Partie gegen Tonga.
Quelle: IMAGO
Das Fazit aus deutscher Sicht fiel gemischt aus. Beim dreitägigen Event in der südafrikanischen Metropole Kapstadt wäre mit mehr Cleverness und Spielglück ein besseres Resultat drin gewesen.
Wir hatten intern gehofft irgendwo zwischen Platz zehn und 16 zu landen
Nationaltrainer Clemens von Grumbkow
Das Turnier im Cape Town Stadium begann für das deutsche Team am Freitag mit einer herben Enttäuschung. In der Auftaktpartie gegen Chile verspielte das "Wolfpack" eine 12:0 Pausenführung durch einen chilenischen Doppelschlag in Durchgang zwei. Deutschland spielte in Folge zweier Zeitstrafen in doppelter Unterzahl.
Ab Freitag startet das deutsche Team erstmals überhaupt bei der Siebener-Rugby-WM. In Kapstadt winkt auch ein Duell gegen die übermächtigen Gastgeber.
von Denis Frank
Eine Entscheidung in der Verlängerung musste her und in dieser zeigten sich die Südamerikaner abgeklärter. In der vierten Minute des Sudden Death entschieden "los Condores" das Spiel mit einem Straftritt zum 15:12 Endstand. Für die deutsche Mannschaft ging es in den darauffolgenden Platzierungsspielen lediglich um die Ränge 17 bis 24.
Sieg gelingt auch ohne Hunt
Gegen Portugal und Tonga zeigte die Nationalmannschaft dann aber trotz früher Verletzungssorgen noch große Moral. In beiden Partien gelang es dem "Wolfpack" Rückstände aufzuholen und das obwohl Topscorer Jack Hunt angeschlagen fehlte. Ohne den besten Finisher im Team konnte Portugal nach 0:14 Rückstand noch mit 21:14 bezwungen werden.
Chris Umeh hebt Tim Lichtenberg, damit dieser den Ankick der Chilenen aus der Luft fischen kann.
Quelle: IMAGO
Gegen die für ihre äußerst harte Spielart bekannten Tongaer stellte sich das deutsche Team taktisch "nicht unbedingt clever" an, wie Spielmacher Bastian van der Bosch nach der Partie konstatierte. Statt die körperlich überlegenen Afrikaner mit weiten Spielzügen laufen zu lassen, ließ man sich auf deren konfrontatives Spiel ein. Es bedurfte zweier Last-Minute-Versuche in der Schlussminute von Anjo Buckman und in der Nachspielzeit von Spielmacher van der Bosch, um einen zwischenzeitlichen Rückstand von 5:12 noch zu einem 19:12 zu drehen.
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Calitz und Lichtenberg fallen aus
Der dramatische Sieg war teuer erkauft: Max Calitz und Tim Lichtenberg konnten jeweils nach harten Zusammenstößen nicht mehr im abschließenden Bowl-Finale gegen Uganda antreten. Mit nur noch einem Auswechselspieler startete die deutsche Auswahl dennoch stark und ging durch Philip Gleitze in Führung.
Doch die "Kraniche" genannten Ostafrikaner drehten die Partie und auch ein sehenswerter Versuch nach einem 80-Meter-Solo vom Hamburger Ben Ellermann sollte daran nichts mehr ändern. Mit 12:19 endete das letzte Spiel der deutschen Mannschaft am Sonntagvormittag.
Wir haben nicht immer das beste Rugby gezeigt, dafür aber Charakter bewiesen.
Kapitän Soteras Merz
Gute Leistung in Kapstadt
Nationaltrainer von Grumbkow lobte "Einsatz und Einstellung“ seiner Schützlinge, um gleichwohl zu bemängeln, dass man das eigene Potenzial im Turnierverlauf nicht konsequent abgerufen habe.
Aus deutscher Sicht erfreulich: Die Hoffnungsträger Philip Gleitze (22), Chris Umeh (21) Niklas Koch (24) zeigten in Kapstadt ansprechende Leistungen. Mit Blick auf die kommenden Ziele unterstreicht der Hannoveraner Koch: "Um auf dieser Bühne dabei zu sein betreiben wir diesen Sport. Wir werden alles dafür geben, um in vier Jahren wieder bei der Weltmeisterschaft dabei zu sein."
Bei dieser WM sicherten sich am Sonntagabend Australien und Fidschi die Pokale. Die Australierinnen entthronten im Endspiel Neuseelands Damen, die als Titelverteidigerinnen und mit Olympia-Gold aus Tokyo angetreten waren. Der 24:22 Final-Thriller wurde erst mit dem letzten Kick entschieden. Auch bei den Herren wurde Neuseeland als Titelverteidiger im Finale besiegt - Olympiasieger Fidschi setzte sich gegen die All Blacks 7s deutlich mit 29:12 durch.
Regeln, Favoriten und mehr
Das Siebener-Rugby ist, wie das traditionelle Fünfzehner-Rugby, eine Spielart des weltweit dominierenden Rugby Union. 1883 wurde die Variante in der schottischen Kleinstadt Melrose erfunden, vom lokalen Metzger Ned Haig. Dieser wollte ein Turnier zur Finanzierung des dortigen Melrose Rugby Football Club organisieren. Mit der verkürzten Spielform konnten mehrere Spiele an einem Tag organisiert wurden. Die Spielart wurde als Turnierform über die Jahre immer populärer. Seit den 1990ern wird vom Rugby-Weltverband eine World Series mit den wichtigsten Turnieren um den Globus veranstaltet und seit 2016 ist das Siebener-Rugby olympisch.
Die Regeln sind, bis auf die Anzahl der Spieler (sieben pro Mannschaft) und die Spiellänge (zwei Halbzeiten à sieben Minuten) genau dieselben, wie im traditionellen Fünfzehner. Ziel des Spiel ist es den Ball in das gegnerische Malfeld zu tragen und dabei nur nach hinten zu passen. Jedoch haben die Akteure weitaus mehr Platz auf dem Feld, als im Fünfzehner, was zu einem dynamischeren Spiel mit weniger Kontakten führt. Diese können dennoch Rugby-typisch sehr robust ausfallen. Die meisten Siebener-Spieler sind auch im Fünfzehner aktiv, jedoch werden im Siebener nur sehr schnelle Spieler gebraucht, weswegen nicht alle Fünfzehner-Spieler für das deutlich schnellere Siebener geeignet sind.
Die Turniere im olympischen Siebener-Rugby werden in der Regel über zwei oder drei Tage in einem einzigen Stadion ausgetragen. Teams spielen bis zu drei Spiele an einem Tag, was für die Aktiven sehr intensiv, aber aufgrund der vergleichsweise kurzen Spielzeit machbar ist. Für die Zuschauer gibt es den gesamten Tag über Rugby zu sehen und typischerweise ist die Atmosphäre bei den großen Turnieren ausgelassen und erinnert ein wenig an Karneval.
Wie im Fünfzehner-Rugby, zählen Südafrika, Neuseeland, Australien, England, Argentinien und Frankreich zu den traditionell stärksten Nationen im olympischen Siebener. Das Maß aller Dinge in den letzten Jahren war allerdings Fidschi. Auf der kleinen Inselnation ist speziell das Siebener-Rugby quasi Ersatz-Religion. 2016 und 2020 holte das Herren-Team jeweils Olympia-Gold und wurde im Inselreich zum Stolz der Nation.
Anders, als derzeit im Fünfzehner-Rugby, ist das deutsche Team im Siebener-Rugby in der Lage mit der erweiterten Weltspitze mithalten. Dank der Sportförderung des Bundes kann sich ein Großteil des Teams voll auf den Sport konzentrieren. Spieler wie Kapitän Carlos Soteras Merz oder Bastian van der Bosch sind als Sportsoldaten bei der Bundeswehr angestellt, Spielmacher Niklas Koch bei der Polizei Niedersachsen in der Sportfördergruppe. Der Spitzname des Teams ist Wolfpack, nachdem ein australischer TV-Kommentator vor einigen Jahren die Art der Mannschaft zu verteidigen mit einem jagenden Rudel Wölfe verglichen hatte. Seit dem März 2022 betreuen Clemens von Grumbkow und Philip Snyman das Team als gleichberechtigte Nationaltrainer.