Skisprung-Betrug - welche Rolle spielt die FIS?

    Skandal im Wintersport:Skisprung-Betrug - welche Rolle spielt die FIS?

    von Lars Becker
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    Die norwegischen WM-Springer suspendiert, Material-Regeln verschärft. Der Ski-Weltverband FIS greift in dem Betrugsskandal durch - gerät aber selbst auch ins Fadenkreuz der Kritik.

    Der norwegische Skispringer Marius Lindvik im Flug
    Der norwegische Skispringer Marius Lindvik darf vorerst nicht mehr springen
    Quelle: dpa | Georg Hochmuth

    Die norwegischen Top-Skispringer Marius Lindvik und Johann Andre Forfang dürfen bei der in Oslo beginnenden Raw-Air-Tournee (ab diesem Donnerstag live im ZDF) nicht springen. Der Internationale Skiverband FIS hat die beiden wegen ihrer Anzug-Manipulationen vorläufig suspendiert. Genau wie insgesamt vier norwegische Trainer und Material-Experten - drei aus dem Skispringen, einer aus der Nordischen Kombination. Außerdem führte die FIS kurz vor dem ersten Springen in Oslo eine Neuerung ein: Bis zum Saisonende darf jeder Springer nur noch einen kontrollierten Sprunganzug verwenden, der 30 Minuten vor jedem Wettkampf von der FIS ausgehändigt und 30 Minuten danach wieder eingezogen wird.
    ZDF-Experte Severin Freund
    ZDF-Skisprung-Experte Severn Freund spricht über den Materialbetrug im norwegischen Team. Der Weltverband FIS müsse nun agieren und nicht nur reagieren, fordert Freund.13.03.2025 | 13:02 min

    Norwegische Ex-Topspringer: Jeder betrügt, FIS schaut weg

    Das zeigt schon die Dimension des Materialbetrugs-Skandals bei der Nordischen Ski-WM von Trondheim. Das Ganze dürfte aber nur die Spitze des Eisbergs sein, denn jetzt gerät der Weltverband FIS selbst ins Fadenkreuz der Kritik und sieht sich harten Vorwürfen ausgesetzt. "Es ist das Beste für das Produkt, wenn in Norwegen ein Norweger gewinnt oder ein Österreicher in Österreich. Das ist allgemein bekannt", sagte der zurückgetretene norwegische Skisprung-Olympiasieger Daniel Andre Tande zu einheimischen Medien. Es sei schon seit vielen Jahren so, dass jeder im Skisprung-Zirkus betrüge und die FIS-Kontrolleure meist wegschauten.
    Der ehemalige norwegische Skiflug-Weltrekordler Johan Remen Evensen erklärte:

    Der Grundsatz in dem Sport lautet, wenn du nicht erwischt wirst, hast du nicht betrogen.

    Johan Remen Evensen

    Evensen, Tande und der ehemalige Vierschanzentourneesieger Anders Jacobsen räumten ein, in ihrer aktiven Karriere betrogen zu haben.
    Norwegens Sportdirektor Jan Erik Aalbu bei einer Pressekonferenz am 09.03.2025.
    Jan Erik Aalbu zerstörte die Mär vom sauberen Skispringen. "Ja, wir haben betrogen. Wir haben alle enttäuscht, die das Skispringen lieben", sagte der norwegische Sportdirektor.09.03.2025 | 1:13 min

    Kein Konkurrent glaubt Lindvik und Forfang

    Lindvik und Forfang haben bislang beteuert, dass sie nichts von den Anzug-Manipulationen mit einem versteckt eingenähten steifen Band für Vorteile im Flug gewusst hätten. Das glaubt ihnen freilich niemand von den Konkurrenten. Das wäre genauso, als würde ein Formel-1-Fahrer nicht bemerken, dass sein Bolide plötzlich 50 PS mehr hat. Der in Trondheim von Lindvik geschlagene Vizeweltmeister Andreas Wellinger sagte dazu:

    Aus der Erfahrung aus den letzten zwölf Jahren, wo ich jetzt dabei bin: Wenn Änderungen am Anzug stattfinden, dann stehe ich da drinnen, und ich merke das, dass der anders ist, und frage nach, was da geändert wurde.

    Skispringer Andreas Wellinger

    Die FIS hat alle bei der WM verwendeten Sprunganzüge der Norweger am Dienstag konfisziert. "Angesichts der uns bisher vorliegenden Informationen, haben wir bei der Überprüfung der Sprunganzüge nichts zu befürchten", glaubt Norwegens Verbandspräsidentin Tove Moe Dyrhaug. Logisch: Schließlich hatten die WM-Gastgeber seit Bekanntwerden des Skandals am Samstag über drei Tage Zeit, ihre Spuren zu verwischen.

    Seit Jahren Tuscheleien über Material-Betrug

    Vorschläge wie der Einsatz der gänzlichen Übernahme der Material-Kontrollen durch 3-D-Scanner existieren bereits. Doch wird das die Schummel-Kultur in der sogenannten Skisprung-Familie ändern? Inzwischen seit Jahren wird immer wieder über Material-Betrug getuschelt - und zwar bei allen Topnationen. Bei der WM geriet auch der aus der Formkrise plötzlich auf Rang vier auf der Normalschanze geflogene Karl Geiger wegen eines übergroßen Sprunganzugs (jeder Zentimeter mehr Tragfläche im Flug bringt mehr Weite) in den Fokus.
    Deutschlands Andreas Wellinger jubelt nach seinem Sprung bei der WM in Trondheim am 02.03.2025.
    Andreas Wellinger gewinnt WM-Silber in Trondheim und beschert den deutschen Skisprung-Männern die erste Medaille. Karl Geiger wird Vierter. Gold holt der Norweger Marius Lindvik. 02.03.2025 | 3:46 min

    FIS-Kontrolleur hatte nichts zu beanstanden

    Geiger hat alle Vorwürfe abgestritten, aber selbst Ex-Weltmeister Martin Schmitt spricht von Tricksereien in der ganzen Szene. Da die Größe des Anzugs bisher meist nur im Schritt gemessen werde, könnten die Flieger mit entsprechenden Bewegungen ihre Flughilfe in den regelkonformen Bereich bringen. "Diese Bewegungen werden trainiert", hat Schmitt dazu dem Münchner Merkur gesagt. Dazu kommt, dass FIS-Material-Kontrolleur Christian Kathol ganz offenbar Teil des Problems ist. Auch beim WM-Skandal hatte er erst nichts zu beanstanden, erst nach dem Springen wurde nach Intervention mehrerer Nationen der Betrug nach dem Auftrennen der Sprunganzüge von Lindvik und Forfang aufgedeckt.
    Trotz aller Vorwürfe versucht der Ski-Weltverband FIS zu demonstrieren, dass er tatsächlich gegen Betrug im Skispringen und der Nordischen Kombination vorgehen will: "Für die FIS zählt nur, dass sie diesen Prozess mit der hundertprozentigen Überzeugung verlässt, dass der Sport frei von jeglicher Manipulation ist", hieß es vom Verband: "Wir werden alles daran setzen, Respekt und Fairness zu gewährleisten - in diesem konkreten Fall und in unserem gesamten Ökosystem."

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    Quelle: Reuters

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