Nach dem Corona-Chaos bei der Vierschanzentournee in Oberstdorf wird das Testkonzept überprüft - es gilt, ein ähnliches Chaos bei der Nordische WM zu verhindern.
Am Mittwoch mussten sich die Skispringer auf dem Weg zur zweiten Station bei dieser Vierschanzentournee in Garmisch-Partenkirchen ihrem zweiten obligatorischen Corona-Test beim Skisprung-Grand-Slam unterziehen. Der deutsche Routinier Severin Freund hatte vor dem Test-Stopp in Kempten durchaus Bauchgrummeln:
So geschehen nach dem ersten Check vor dem Auftaktspringen in Oberstdorf. Klemens Muranka wurde positiv getestet und nach intensiven Befragungen durch das Gesundheitsamt Oberallgäu das gesamte polnische Team als Kontaktpersonen erster Klasse gesperrt.
Die lokale Entscheidung löste internationale politische Turbulenzen aus. Selbst Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki meldete sich zu Wort und sprach von "schreiender Ungerechtigkeit". Aber auch Skiflug-Weltmeister Karl Geiger - selbst gerade noch rechtzeitig zur Tournee nach einer Corona-Infektion aus der Quarantäne entlassen – setzte sich für die Konkurrenten ein: "Ich verstehe nicht, warum die ganze Mannschaft gesperrt wird. Da kann man das ganze Masken-Tragen doch gleich weglassen."
Kritik an Oberstdorfer Corona-Vorgehen
Den Organisatoren wurde vorgeworfen, mit einem lokalen Hygienekonzept zu arbeiten, das mit dem Profisport Skispringen nichts zu tun habe. Im Profifußball und der Formel 1 ist es in diesen schwierigen Shutdown-Zeiten üblich, dass nur positiv getestete Teammitglieder in Quarantäne müssen. Der Rest der Mannschaft darf weiter dem Job nachgehen.
In Oberstdorf setzte die örtlichen Behörden "in Abweichung vom üblichen Procedere" (OK-Generalsekretär Florian Stern) am Montag gleich zwei Corona-Tests bei allen polnischen Teammitgliedern an. Alle PCR-Tests waren negativ, auch beim ursprünglich positiv getesteten Muranka. Das Gesundheitsamt gab alle polnischen Flieger für das Tournee-Auftaktspringen frei. Polens zweifacher Tournee-Gesamtgewinner Kamil Stoch landete beim Sieg von Karl Geiger auf Rang zwei.
Fragen nach Verlässlichkeit der Corona-Tests
Die "Rolle rückwärts" der Behörden warf wiederum Fragen auf. Kann man sich bei dieser Tournee und im Skispringen generell künftig "freitesten", wenn der politische Druck hoch genug ist? Wie akkurat waren die Ergebnisse des Labors und der 90 Euro pro Person teure Corona-Test in Oberstdorf? Zumal auch ein positiv getesteter Physiotherapeut des deutschen Skisprung-Teams bei zwei nachfolgenden Checks negativ war.
Die Beantwortung der Fragen ist extrem wichtig für die Glaubwürdigkeit des Sports und die Reputation von Oberstdorf als Veranstalter. Schließlich steht in nicht einmal zwei Monaten die Nordische Ski-Weltmeisterschaft (24. Februar bis 7. März 2021) an gleicher Stelle an. Dann werden etwa 700 Sportler aus 60 Ländern erwartet. Beim Tournee-Auftaktspringen waren "nur" 62 Flieger am Start.
"Es ist eine unangenehme Situation. Wir sind es gewohnt, ein Topprodukt abzuliefern und es ist schwierig, wenn wir so ins Schwimmen geraten", gestand der Oberstdorfer OK-Chef Florian Stern ein. Er versprach, dass ein unabhängiges Prüfgremium den Test-Ablauf überprüfen werde:
FIS will Verbesserung
Im schlimmsten Fall könnten bei falsch-positiven Corona-Tests sogar Schadenersatzklagen drohen. Der Internationale Skiverband FIS kündigte in Person von Renndirektor Sandro Pertile jedenfalls an, "das Testsystem zu verbessern, um solche Situationen wie in Oberstdorf künftig zu vermeiden." Möglicherweise könnte künftig bei einem Positivtest ein unmittelbarer zweiter Corona-Check obligatorisch werden. Damit das Springen wieder wichtiger als das Testen wird.