Der Sport protestiert und sanktioniert - und will so mit Politik und Wirtschaft an einem Strang ziehen. Das mache Mut, sagt Andrej Voronin. Das könne helfen, sagt Thomas Weikert.
Hilflos, machtlos, fassungslos - der Krieg in der Ukraine verstört Menschen in allen Teilen der Gesellschaft zutiefst, auch im Sport. Und so ging es neun Tage nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im aktuellen sportstudio am Samstagabend auch um die Zeichen, die der Sport aktuell setzt. Und um die Frage, ob diese etwas bewirken können.
Bundesliga in Blau und Gelb
Das Logo der Fußball-Bundesliga in Blau und Gelb, der Mittelkreis in Wolfsburg zum Peace-Zeichen umgestaltet, Eckfahnen in den ukrainischen Farben oder mit dem Friedenszeichen versehen, prominente Spieler wie Robert Lewandowski oder Thomas Müller von den Bayern mit blau-gelber Armbinde, Gedenkminuten, Friedensforderungen auf Großleinwänden, Hilfsfonds - der Spitzenfußball in Deutschland zeigte sich auch am zweiten Spieltag seit Kriegsbeginn geschlossen solidarisch mit der Ukraine.
Voronin: Solidarität "macht Mut"
Andrej Voronin, ehemaliger Bundesliga-Profi und Nationalspieler der Ukraine, war als Co-Trainer von FK Dynamo Moskau beschäftigt, als Russland seine Heimat überfiel.
Er verließ Russland mit seiner Familie umgehend in Richtung Düsseldorf und erklärte im sportstudio: "Ich bekomme jeden Tag Hunderte Bilder, ich kann mir nicht vorstellen, dass das, was ich sehe, in meinem Land passiert. Aber es ist leider die Wahrheit." Auch er: fassungslos.
Aber froh über die unzähligen Solidaritätsbekundungen: "Wir sind dankbar allen Leuten in der ganzen Welt, die mit uns sind", sagte der 42-Jährige: "Das macht Mut."
Voronin hilft in der Ukraine
Er selbst helfe Verwandten, Freunden und Bekannten in der Ukraine, so gut es geht, finanziell und mit Rat und Tat bei der Flucht aus der Ukraine.
Wie hilflos er sich im Grunde dabei fühlt, war Voronin deutlich anzusehen im Interview. Besonders, als er von einem ehemaligen Nationalmannschafts-Kollegen erzählte, der seit zwei Tagen mit seinen zwei Kindern in einem Keller ausharre und nicht raus könne.
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DOSB-Präsident Weikert hofft auf Rückkehr der Suspendierten
Thomas Weikert, seit drei Monaten Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), hörte Voronin zu und sagte dann: "Man fühlt sich irgendwie ein bisschen machtlos, obwohl wir als Sport das getan haben, was in unserer Macht steht, protestieren und sanktionieren."
Zugleich hofft er auf eine Rückkehr der suspendierten Athleten. "Wir sind ja Brückenbauer im Sport. Eigentlich tun wir im Moment genau das Gegenteil: Wir schließen Athleten und Athletinnen aus."
Russische Sponsoren unerwünscht
Weltweit waren in den vergangenen Tagen russische und belarussische Athletinnen und Athleten von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen worden. Niemand will mehr in Russland und Belarus veranstalten. Kaum jemand will noch Geld von russischen Sponsoren.
Der Sport in den beiden Ländern, die in der Ukraine einen Krieg angezettelt haben, ist international isoliert. Doch wird das die dortigen Machthaber beeindrucken? Wird das den russischen Präsidenten Wladimir Putin beeindrucken?
Politik, Wirtschaft und Sport ziehen an einem Strang
"Man muss sich natürlich bewusst sein, dass der Sport nur eine begrenzte Macht hat", sagte Weikert. Aber: "Wenn alle an einem Strang ziehen, mit Politik und Wirtschaft, dann gibt es schon Beispiele, die beweisen, dass es etwas nutzt."
Weikert führt den Kampf gegen die Apartheid in Südafrika als Positiv-Beispiel an. Und den Einmarsch Russlands in Afghanistan als das Gegenteil. Heißt: Ende offen.
Fest steht für Weikert, dass der Sport seinen Umgang mit Herrschern von Autokratien hinterfragen sollte. "Man muss jetzt genau drüber nachdenken, was man in Zukunft tut", sagte Weikert. Zunächst gehen aber noch die Paralympischen Winterspiele in Peking über die Bühne. Und Ende des Jahres spielen die besten Fußball-Teams der Welt in Katar um den WM-Pokal - immerhin ohne russische Beteiligung.
Für die künftige Auswahl von Ausrichternationen großer Sportereignisse ist der DOSB-Präsident überzeugt: "Da wird ein Umdenken einsetzen." Schmusekurs und Sektempfang mit Diktatoren dürfte es demnach im internationalen Spitzensport so schnell nicht mehr geben.
Gegen die Hilflosigkeit
Je mehr deutliche Zeichen, desto besser. Ein ganz wunderbares setzte der deutsche Biathlet Erik Lesser. Er überließ seinen Instagram-Account mit 126.000 Followern, von denen immerhin 30.000 aus Russland stammen sollen, für 24 Stunden der ukrainischen Kollegin Anastasiya Merkushyna. Sie zeigte Bilder von Not und Zerstörung in ihrer vom Krieg heimgesuchten Heimat. Der Sport kann den Krieg nicht beenden. Aber er kann dem Gefühl der Hilflosigkeit etwas entgegensetzen: Solidarität, Menschlichkeit, ganz viel Empathie.
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