Dicker hätte es fürs deutsche Davis-Cup-Team im Halbfinale nicht kommen können. Das Team Russlands ist der Gegner - mit dem aktuellen Weltranglisten-Zweiten und -Fünften.
Erstmals seit 14 Jahren stehen die deutschen Tennisprofis wieder im Halbfinale des Davis Cups. Im Duell gegen das russische Team (Samstag ab 13 Uhr) sind sie Außenseiter. Denn: Mit Daniil Medwedew und Andrei Rubljow warten im Einzel die Nummer zwei und fünf der Weltrangliste. In einem möglichen entscheidenden Doppel ginge es gegen den Olympiazweiten im Mixed.
Grund zur Hoffnung gibt es für Jan-Lennard Struff (Weltranglisten-Nummer 51), Dominic Koepfer (54), Peter Gojowczyk (86) und dem Doppel Kevin Krawietz/Tim Puetz dennoch - auch wenn Alexander Zverev in Madrid fehlt.
So wird voraussichtlich gespielt:
Koepfer gegen Rubljow
Nach der deutlichen Auftakt-Niederlage von Peter Gojowczyk beim 2:1-Sieg gegen Großbritannien ist davon auszugehen, dass Team-Kapitän Michael Kohlmann im ersten Spiel auf Dominic Koepfer setzt. Es wäre sein erstes Duell mit der klar favorisierten Nummer fünf der Welt Rubljow.
Dieser jedoch gewann bei seinen letzten fünf Turnieren nur zwei Matches, während Koepfer vor einem Monat beim ATP-Turnier in Paris die ehemalige Nummer eins der Welt, Andy Murray, und Felix Auger-Aliassime (Position elf) schlug. Auch bei den Davis-Cup-Finals ließ Rubljow schon Federn - er verlor im Gruppenspiel gegen den Spanier Feliciano Lopez (Weltranglistenplatz 107), eigentlich ein sicher eigeplanter Punkt des russischen Teams.
Struff gegen Medwedew
Auch bei diesem Match sind die Rollen klar verteilt - Struff hat mit dem aktuellen US-Open-Champion Medwedew eine harte Nuss zu knacken. Verstecken muss er sich jedoch nicht. Zwar liegt der Warsteiner im direkten Vergleich mit eins zu vier hinten, allerdings liegt dieser eine Sieg nur knapp sechs Monate zurück.
In Halle/Westfalen bezwang Struff den Russen in zwei Sätzen. Zudem konnte er Medwedew bei drei der vier anderen Begegnungen zumindest einen Satz abnehmen und die Nummer zwei der Welt somit ordentlich ins Schwitzen bringen.
Krawietz/Puetz gegen Rubljow/Karazew
Im Doppel käme Aslan Karazew (Einzel-Weltrangliste Nummer 19) für Russland ins Spiel. Dieses Jahr sorgte er im Mixed-Doppel durch Olympia-Silber und Platz zwei bei den French Open, jeweils mit der Russin Elina Vesnina, für Aufsehen. Mit Rubljow bildet er ein eingespieltes Duo. Zusammen gewannen sie 2021 die Doppelkonkurrenz beim ATP-Turnier in Doha.
Dramatisches Viertelfinale 1987 in Hartford zwischen Deutschland und USA: Boris Becker schlägt Tim Mayotte - mit dem Original-Kommentar von Rainer Deike.
Eingespielt sind aber auch Kevin Krawietz und Tim Puetz - zusammen sicherten sie Deutschland in allen drei bisherigen Partien im Doppel den entscheidenden zweiten Matchpunkt zum Gesamtsieg. Beide wahrten damit jeweils generell ihre weiße Weste im Davis-Cup-Doppel (Krawietz mit 6:0-, Puetz mit 7:0-Bilanz).
Krawietz, zudem zweifacher Grand-Slam-Champion (French Open 2019 und 2020 mit Andreas Mies), war dieses Jahr zum dritten Mal in Folge bei den ATP-Finals, dem Turnier der besten acht Doppelpaarungen des Jahres dabei. Puetz trumpfte zuletzt beim Masters in Paris-Bercy groß auf. Er siegte an der Seite von Michael Venus (Neuseeland).
Teamspirit fast wie bei Becker und Stich
Die deutsche Mannschaft steht vor einer großen Herausforderung, die aber nicht unlösbar ist. Entscheidender Faktor könnte der überragende Teamspirit der DTB-Auswahl werden. Die "Deutschland, Deutschland"-Sprechchöre, die Jan-Lennard Struff regelmäßig anstimmt, sofern er nicht selbst spielt, wecken Erinnerungen an große Davis-Cup-Zeiten in der Ära Boris Becker/Michael Stich.
Ebenso exemplarisch für die Einheit: Noch einige Zeit nach dem Sieg gegen die Briten im Viertelfinale, hüpften Spieler, Team-Kapitän und Betreuerstab jubelnd Arm in Arm, während "An Tagen wie diesen" von den Toten Hosen durch die Innsbrucker Olympiahalle schallte.