Der 40 Jahre alte Tischtennisspieler hat noch längst nicht genug - nach seinem dritten Platz zuletzt bei der WM in Houston mag der Odenwälder nicht an ein Karriereende denken.
Aufhören? Wegen der paar Schmerzen? Nein, das kommt für den ehemaligen Weltranglistenersten Timo Boll noch längst nicht in Frage. "Der Abschied wird mir irgendwann schwerfallen", stellte Deutschlands erfolgreichster Tischtennisspieler am Samstagabend im aktuellen sportstudio klar. "Aber noch ist es nicht so weit."
Schon mit 22 Jahren war Timo Boll ein Phänomen, damals, 2003, setzte er sich erstmals an die Spitze der Tischtennis-Weltrangliste. Ein Deutscher, der nicht nur mithalten konnte mit den an der Platte so übermächtigen Chinesen, sondern sie auch gehörig zu verschrecken vermochte. Acht Jahre später, 2011, holte er seine erste WM-Medaille, Bronze.
Boll: So phänomenal wie eh und je
Und nun, zehn Jahre später, Timo Boll ist inzwischen 40 Jahre alt, Familienvater und wohl der berühmteste Deutsche in China, spielt er so phänomenal wie eh und je. Zuletzt gewann er in Houston in den USA zum zweiten Mal in seiner erstaunlichen Karriere WM-Bronze - und das trotz einer Rippenbogen- und Bauchmuskelentzündung.
Der älteste Weltranglisten-Erste ist Boll bereits, seit er im März 2018 zum vierten Mal die Spitze seiner Zunft eroberte. Nun ist er auch der älteste Medaillengewinner bei einer Tischtennis-WM. Mit seinen 40 Jahren und 264 Tagen knackte er den Altersrekord, den 92 Jahre lang der frühere ungarische Weltmeister Zoltán Mechlovits hielt - er gewann 1928 mit 37 Jahren den Titel und ein Jahr später noch einmal Bronze.
Roßkopf hofft auf weitere WM-Medaille
Bundestrainer Jörg Roßkopf, der vor 20 Jahren noch mit Boll zusammen in der Nationalmannschaft stand, scherzte: "2011 die erste WM-Medaille im Einzel, jetzt die zweite - vielleicht holt er ja 2031 die nächste." Bolls Kollege und Freund Dimitrij Ovtcharov, selbst bereits zweimal Weltranglisten-Erster und zweimal Olympia-Dritter, mutmaßt in jedem Fall, dass der sieben Jahre ältere Boll mindestens bei den Spielen 2024 in Paris noch dabei sein wird - wenn nicht gar auch 2028 in Los Angeles noch.
So weit in die Zukunft zu blicken sei superschwierig, sagte Boll am Samstag, angesprochen auf Paris 2024. Er wäre dann 43 Jahre alt und würde zum siebten Mal an Olympischen Spielen teilnehmen.
"Aber ich hätte mir auch nicht vorstellen können, mit 40 noch in der Weltspitze mitspielen zu können."
Boll: Spielerisch keine Schwächen mehr
Wer würde gewinnen, wenn sein junges Ich gegen sein heutiges antreten würde? Boll muss nicht lange nachdenken, sein heutiges Ich würde gewinnen, sagt er: "Ich habe spielerisch keine Schwächen mehr, das würde ich ausnutzen."
Ganz ohne Fitness gehe es auch mit 40 nicht. "Aber Tischtennis ist ein sehr technischer Sport, über Finesse, Platzierung, geschicktes Spiel kann man doch einiges ausrichten." Früher sei er "über die Rallye gegangen, über die langen Ballwechsel". Doch je älter, je weiser: "In den letzten zehn Jahren habe ich mein Spiel meinen körperlichen Möglichkeiten angepasst", sagte Boll.
Strategischere Spielweise
Er spiele strukturierter, plane die Züge voraus, analysiere die Schwächen des Gegners: "Ich habe es geschafft, mich immer wieder neu anzupassen und mein Spiel weiterzuentwickeln, obwohl ich körperlich natürlich irgendwann nachgelassen habe. Aber ich habe meine Schläge und mein Tischtennis-Know-How so perfektioniert, dass ich trotzdem immer noch einigermaßen mitspielen konnte."
Einigermaßen. Dieses Understatement ist typisch für Boll. Als er Bilder von der WM sieht, wie immer wieder mit schmerzverzerrtem Gesicht abdreht, sagt er: "Das ist für mich schwer anzuschauen, ich denke dann immer, was war ich denn für ein Jammerlappen."
- Bronze - starker Trost für Timo Boll
Es hat nicht ganz gereicht fürs Endspiel. Timo Boll verliert bei der Tischtennis-WM das Halbfinale gegen ein halb so alten Gegner knapp - darf sich aber mit Bronze trösten.
Boll: Auf zum nächsten Rekord
Achtmal gewann Boll bereits die EM, bei Olympia holte er mit dem deutschen Team zweimal Silber und zweimal Bronze. Die olympische Einzel-Medaille fehlt ihm - und das sei "schon ein bisschen" ein Grund, Paris 2024 anzupeilen. "Auf zum nächsten Oldie-Rekord", sagte Boll: "Man ist ja immer ehrgeizig."