Am Samstag beginnt in Nizza die 107. Tour de France. Schon die erste Etappe läuft mitten durch ein Corona-Risikogebiet. Fragen und Antworten zur Rundfahrt trotz Pandemie.
Wie andere Sportveranstaltungen auch versucht die Tour de France einen Wettkampf unter Pandemie-Bedingungen zu ermöglichen. Am Samstag startet in Nizza die 107. Auflage des Rad-Klassikers. Und Corona wird das bestimmende Thema sein.
Ist die Tour-Austragung gesichert?
Dass die Tour am Samstag losrollt, heißt noch lange nicht, dass sie am 20. September auch Paris erreichen wird. "Es wurden viele Maßnahmen getroffen", sagt Ineos-Teamchef Dave Brailsford, "aber wenn wir an einen Punkt kommen, an dem die Fahrer einem zu großen Risiko ausgesetzt sind, müssen wir vielleicht handeln." Die Tour fährt auf Abruf, verschlimmert sich die Infektionslage, breitet sich das Virus gar im Fahrerfeld aus, ist ein Abbruch denkbar. Es wäre der erste in der 117-jährigen Tourgeschichte.
So bewertet das RKI die Corona-Gefahr in Frankreich
Das Robert-Koch-Institut stufte am Montagabend die Regionen Ile-de-France (dazu gehört Tour-Zielstadt Paris) und Provence-Alpes-Cote d'Azur (dazu gehört der Tour-Startort Nizza) als "Risikogebiete" ein, also Gebiete, "in denen ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 besteht". Von nicht-essenziellen, touristischen Reisen wird darum abgeraten.
Die Tour de France startet unter einem strengen Hygienekonzept. Dieses sieht eine Separierung der Teams sowie regelmäßige Tests vor.
Wie wird auf Corona getestet?
Die Fahrer mussten sich sechs und drei Tage vor dem Grand Depart testen lassen, zudem stehen Tests an den beiden Ruhetagen an. Zweimal täglich gibt es für jeden Profi eine "Gesundheits-Befragung". Werden zwei Mitglieder eines Teams innerhalb von sieben Tagen positiv getestet, muss deren Mannschaft laut Vorgabe des Veranstalters ASO zurückgezogen werden. Diese Regel bestätigte Tour-Chef Christian Prudhomme am Samstagmorgen, die abweichend ist von der UCI-Vorgabe, die einen Ausschluss nur bei zwei positiv getesteten Fahrern vorsieht.
Wegen der Gefahr "falsch positiver" Coronatests hat der Weltverband UCI auf Druck der Teams kurz vor dem Start eine obligatorische "B-Probe" angeordnet. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Fahrer aufgrund einer falschen Diagnose der Infektion mit dem Coronavirus vom Rennen ausgeschlossen werden.
Findet die Tour vor Zuschauern statt?
Generell ja - die Idee einer "Geistertour" war auch mangels Durchsetzbarkeit auf knapp 3.500 Streckenkilometern schnell vom Tisch. Dennoch rollt die Frankreich-Rundfahrt, die gewöhnlich von mehr als zehn Millionen Menschen besucht wird, unter starken Beschränkungen. Auch aufgrund der Zuschauer-Deckelung in Frankreich bei Großereignissen (5000 Personen) ist der Zugang zu Start- und Zielbereich stark limitiert, an den neuralgischen Bergpässen gibt es Zufahrtskontrollen, Wohnmobile und PKW sind dort nicht erlaubt. Tour-Chef Christian Prudhomme forderte alle Besucher an der Strecke zum Tragen einer Maske auf.
"Der Zugang ist beschränkt, es dürfen nur wenige Menschen zuschauen", so ZDF-Korrespondentin Christel Haas über die anstehende Tour de France.
Was müssen deutsche Tour-Fans beachten?
Deutsche Fans, die eine Reise zum Tourstart in Nizza oder zum Finale in Paris geplant haben, unterliegen den Regelungen für die Einreise aus einem Risikogebiet. Nach derzeitigem Stand ist bei der Rückreise nach Deutschland ein Test und die Selbstisolation bis zum Vorliegen eines Ergebnisses verpflichtend.
Wie sieht die Route aus?
Vom Start an immens bergig - schon am Auftaktwochenende geht es in Höhen über 1600 Meter. Von den 21 Etappen über insgesamt 3484 km enden sechs mit einer Bergankunft, darunter auch das einzige Zeitfahren am vorletzten Tag an der Planche des Belles Filles. Einige neue oder selten gefahrene Berge sind im Programm, dafür fehlen ikonische Anstiege wie Tourmalet, Galibier oder L'Alpe d'Huez.
Wer sind die Favoriten?
Erwartet wird ein Schlagabtausch zwischen dem Team Ineos (die Briten firmieren bei der Tour als "Ineos Grenadiers") mit Titelverteidiger Egan Bernal und Jumbo-Visma um Vuelta-Sieger Primoz Roglic. Auf beiden Seiten gab es aber Probleme: Bernal hat Rückenbeschwerden, zudem nahm Ineos die formschwachen Topstars Chris Froome und Geraint Thomas aus dem Aufgebot. Roglic stürzte bei der
Tour-Generalprobe Dauphine schmerzhaft und muss auf seinen Co-Kapitän Steven Kruijswijk verzichten, der sich bei der Dauphine die Schulter brach. In den Kampf um Gelb will auch Emanuel Buchmann eingreifen, doch der Ravensburger stürzte ebenfalls bei der Dauphine - hinter der Verfassung des Vorjahresvierten,steht ein Fragezeichen.
Die Tour de France startet unter ungewohnten Bedingungen. Sportlich gibt es einige Fahrer, die sich Hoffnungen auf den Sieg machen.
Wie stehen die Chancen der anderen deutschen Fahrer?
Für Überraschungen könnte Buchmanns junger Bora-Teamkollege Lennard Kämna sorgen, der bei der Dauphine eine Etappe gewonnen hat. Die deutschen Sprinter um den mittlerweile 38 Jahre alten Andre Greipel (Israel Start-Up Nation) oder Klassikerstar John Degenkolb gehören nicht mehr zu den ersten Anwärtern auf Etappensiege. Der viermalige Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin ist bei Jumbo einer der wichtigsten Roglic-Helfer.