Die Herztod-Gefahr im Profisport:Tragödie auf dem Rasen
von Frank Hellmann
14.06.2022 | 18:56
|
Christian Eriksens Zusammenbruch bei der EM 2020 hat gezeigt, dass auch austrainierten Sportlern der Herztod drohen kann. Ein Film von Albert Knechtel vertieft das sensible Thema.
Es ist der 12. Juni 2021 im Kopenhagener "Parken"-Stadion, als die Fußball-Welt den Atem anhält. Der dänische Nationalspieler Christian Eriksen, Lenker und Denker auf dem Platz, bricht plötzlich zusammen. Herzstillstand.
Debatten nach Eriksens Zusammenbruch
Die Mitspieler bilden einen Kreis, die Sanitäter kämpfen um das Leben des damals 29-Jährigen. Das EM-Gruppenspiel gegen Finnland verkommt zur Randnotiz. Stattdessen beginnen die Debatten, wie der Profisport mit solchen Dramen umgehen soll.
Und wie sie vielleicht zu verhindern sind. In dem am 18. Juni (23 Uhr/jetzt schon in der Mediathek) ausgestrahlten ZDF-Film "Tragödie auf dem Rasen" lässt Autor Albert Knechtel Spieler zu Wort kommen, die eine solche Erkrankung überlebt habe - wie sie damit klargekommen sind, wie sie weiter Fußball gespielt haben oder aufhören mussten.
Eriksen mit schnellem Comeback
Eriksen, inzwischen 30, spielt wieder Fußball. Mit einem Defibrillator. Schon Ende Februar hat Eriksen beim Premier-League-Klub FC Brentford sein Comeback gegeben, einen Monat später kam er auch wieder in der Nationalmannschaft zum Einsatz, wo er prompt zwei Minuten nach seiner Einwechslung gegen die Niederlande (2:4) traf.
Und - wie selbstverständlich - mischt der Stratege auch jetzt für die Dänen in der Nations League mit. Am vergangenen Freitag gegen Kroatien (0:1) trug er in seinem 114. Länderspiel die Kapitänsbinde. Viele Fans bewundern ihn. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Der renommierte Münchner Sportkardiologe Martin Halle hätte Eriksen nicht zu einem Comeback im Leistungssport geraten.
Der Fall Daniel Engelbrecht
Halle behandelt den ehemaligen Fußballprofi Daniel Engelbrecht, den drei Mal in seiner Karriere ein Herzstillstand ereilte. Vor neun Jahr fiel er während eines Spiels der Stuttgarter Kickers plötzlich um. Später wurden bei ihm eine Herzmuskelentzündung und chronische Herzrhythmusstörung diagnostiziert.
Auch Engelbrecht kehrte mit einem Defibrillator auf den Platz zurück, doch die Herzprobleme blieben ständigen Begleiter.
Corona verstärkt das Problem
Das Problem wird massiv in den Amateurfußball schwappen, dazu bedarf es gar keiner prophetischen Gabe. Schuld ist die massive Ausbreitung von Covid-Infektionen und der Umgang damit in Bezug aufs Sporttreiben. Wer nicht die ärztlich dringende angeratene Pause von Minimum zwei Wochen nach Abklingen der Symptome einhält, riskiert zu viel, denn die Amateure können sich die aufwändigen Untersuchungen der Herzfunktion, die bei Profis vor dem "Return to play" vorgenommen werden, gar nicht leisten.
Deshalb sollten sie auf Nummer sicher gehen und sich noch nicht als spielfähig ansehen, nur weil der Corona-Test negativ ausfällt.
Was mit einer Covid-Erkrankung passieren kann, hat nicht nur Alphonso Davies vom FC Bayern, sondern auch Philipp Sander vom Zweitligisten Holstein Kiel erfahren, der momentan an einer Herzmuskelentzündung laboriert.
Lutz Pfannenstiels Nahtod-Erfahrung
Lutz Pfannenstiel, ZDF-Experte und Sportdirektor beim MLS-Klub St. Louis City SC in den USA, weiß was Spieler durchmachen, wenn es um Nahtod-Erfahrungen geht. Er erlebte Ähnliches wie Eriksen. Nur war es bei ihm keine Herzschwäche, sondern ein direkter Zusammenprall mit einem Gegner. Ein Knie traf mit voller Wucht seinen Solar Plexus.
"Ein brutaler Knall! Dann sind meine Lungenflügel in sich zusammengefallen, ich verlor das Bewusstsein. Aufgewacht bin ich erst mehrere Stunden später auf der Intensivstation. Zwischenzeitlich war ich drei Mal klinisch tot."
Was macht diese Nahtod-Erfahrung mit einem Spieler? "Es ist eine Erfahrung, die einen Menschen von Grund auf ändert. Zumindest mich", sagt Pfannenstiel in dem Film, der für den Sport auch eine Mahnung sein muss.
Thema