Der Weltverband Fina untersagt Schwimmerinnen, die bis nach der Pubertät Männer waren, die Teilnahme an Frauen-Wettbewerben. Ein Arzt findet das verständlich, aber problematisch.
Ruderer, Radsportler oder auch Triathleten machen es wie die Leichtathleten, sie haben eine Testosteron-Obergrenze festgelegt für Menschen, die bei den Frauen an internationalen Meisterschaften teilnehmen wollen. Beim Rugby werden Frauen, die bei ihrer Geburt dem männlichen Geschlecht zugeordnet wurden, ganz ausgeschlossen.
Fina plant offene Wettkampfkategorie
Der Fußball-Weltverband überarbeitet seine Regularien gerade und die "Mail on Sunday" machte zuletzt publik, dass die Pläne der Fifa vorsähen, die Testosteronwerte von Transgender-Frauen gar nicht mehr zu testen und Männern und Frauen eine Teilnahme in Mannschaften des Geschlechts zu erlauben, dem sie selbst sich zuordnen.
Und nun also der Schwimm-Weltverband Fina mit der frisch verkündeten Regel: Transmenschen dürfen nur noch an Frauen-Wettbewerben teilnehmen, wenn sie ihre Geschlechtsanpassung bis zum Alter von zwölf Jahren abgeschlossen haben. Damit das nicht einem Komplettausschluss gleichkommt, wurde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die ausloten soll, wie eine offene Wettkampfkategorie aussehen könnte.
IOC: Jeder Verband soll eigene Regeln aufstellen
Viele Sport-Verbände, viele verschiedene Transgender-Regeln, das scheint auf den ersten Blick unnötig verwirrend. Aber das Internationale Olympische Komitee (IOC) will es so.
In seinen neuesten Leitlinien, die nach den olympischen Winterspielen in Kraft traten, verzichtet es auf die Vorgabe sportartübergreifender Testosteron-Richtwerte und stellt Inklusion, Nicht-Diskriminierung, Selbstbestimmung und Privatsphäre von Athletinnen in den Mittelpunkt. Auf dieser Grundlage solle jeder Verband entsprechend der spezifischen Rahmenbedingungen seiner Sportart eigene Regeln aufstellen.
Thomas erschwimmt sich nach Geschlechtsangleichung Medaillen in Serie
Das ist in Teilen sicher sinnvoll. Im Rugby etwa werden Transfrauen aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen - weil sie oft größer, schwerer und stärker sind als ihre Kolleginnen. Im Reiten oder Schießen dagegen bringen Größe und Kraft keinen Wettbewerbsvorteil - ein Testosteron-Grenzwert wäre hier nicht zu rechtfertigen.
Warum eine Athletin wie Lia Thomas nun als Schwimmerin niemals Olympiasiegerin werden kann, diese Chance im Rudern aber durchaus hätte (wenn eine Experten-Kommission die Bedingungen als erfüllt ansähe), ist schwer vermittelbar.
Lia Thomas sorgte im amerikanischen College-Sport für Furore, weil sie sich nach einer Geschlechtsangleichung Medaillen in Serie erschwamm. Die bislang geltenden Regeln hatte sie erfüllt: Ihre Testosteronwerte waren seit einem Jahr niedrig genug geblieben. Sie ist heute auch weniger leistungsfähig als vor ihrer Behandlung. Aber eben noch immer deutlich schneller als ihre Konkurrentinnen.
Sportmediziner: Keine eindeutig richtige Regel
Wie soll der Sport mit Menschen umgehen, die in einen Konflikt mit ihrer genetischen Identität kommen? "Das ist eine ethische Frage", sagt Jürgen Steinacker, Leiter der Sport- und Rehabilitationsmedizin am Uniklinikum Ulm und als Mitglied der medizinischen Kommission des Welt-Ruderverbands intensiv mit dem Thema befasst:
"Die Fina hat sich eindeutig positioniert und Unklarheiten ausgeschlossen." Das finde er nachvollziehbar. Auch im Weltverband der Ruderer gebe es Stimmen, die eine ähnlich strikte Regel gegenüber Transfrauen fordern.
"Aber wir müssen bei solchen Entscheidungen Individualrecht und Fairnessgebot gegeneinander abwägen", findet der Mediziner: "Es gibt keine eindeutig richtige Regel, das ist eine Güterabwägung." Seiner Ansicht nach hätten "alle, die als Frau im Sport eine Medaille oder Anerkennung gewinnen wollen, Fairness und den Schutz des weiblichen Wettkampfbereiches verdient." Und man könnte durchaus fragen, ob ein Mensch, der für sich die Entscheidung fällt, sein Geschlecht zu ändern - was zu respektieren sei - auch das Recht habe, noch Olympiasieger zu werden.
Sportmediziner: Fina-Regel problematisch für junge Menschen
Die Regel der Fina empfindet Steinacker vor allem deshalb als problematisch, weil sie unter Umständen dazu führe, "dass junge Menschen zu einer Entscheidung gezwungen werden, bevor sie wirklich bereit dafür sind". In den USA werden deutlich mehr Geschlechtsangleichungen pro Jahr durchgeführt als in Deutschland und man wisse, dass die Gefahr einer Reversion umso größer ist, je früher die Behandlung erfolgt. "Das ist eine Entscheidung, die das gesamte Leben verändert und sich kaum rückgängig machen lässt", betont Steinacker.
Dass Testosteron in vielen Sportarten die Leistungsfähigkeit erhöhe und dass der Körper eines Menschen in der Pubertät unter Testosteroneinwirkung zum Teil irreversible Veränderungen durchmache, seien aber nun mal biologische Fakten. "Die Biologie kann man nicht wegdiskutieren", sagt Steinacker, der auch nicht ausschließen will, "dass es da in bestimmten Staaten auch immer wieder Ideen gibt, so etwas auszunutzen".