Zeit für die große Party hatten die deutschen Gold-Rodler noch nicht. Im aktuellen sportstudio erzählen sie über ihre Emotionen, Ängste bei Olympia und die Situation in China.
Die vier deutschen Gold-Rodler hatten beim Besuch im aktuellen sportstudio ihre insgesamt acht olympischen Goldmedaillen von Peking mitgebracht. Zeit, die spektakulären Erfolge zu feiern, war für Natalie Geisenberger, Johannes Ludwig und die Doppelsitzer-Champions Tobias Wendl/Tobias Arlt jedoch noch nicht so richtig.
Familienvater Arlt musste die ersten Nächte nach seiner Rückkehr aus China sogar im Hotel verbringen, weil es daheim bei Frau und zwei Kindern Corona-Infektionen gab: "Jetzt sind alle wieder negativ, die letzte Nacht war ich wieder daheim. Es war natürlich umso schwerer, wenn man so lange unterwegs ist und erstmal nicht heimkommen kann."
Geisenberger bedankt sich bei ihrer Familie
Natalie Geisenberger genoss nach all den Entbehrungen der letzten Jahre ganz besonders einen Bananenkuchen, den ihr eine Freundin gebacken hatte. Und ihr kleiner Sohn Leo durfte ihre neuesten olympischen Goldmedaillen umhängen. Die mit insgesamt sechs Olympiasiegen nunmehr erfolgreichste deutsche Wintersportlerin aller Zeiten bedankte sich noch einmal bei ihrer Familie für die Unterstützung:
Zeit zum entspannten Feiern wird bei ihr genau wie bei den drei anderen Gold-Kollegen jedoch erst später kommen. "Ende nächster Woche wird es ruhiger, da kann man auch mal ein Gläschen mehr trinken", hofft Tobias Wendl. Das Gold-Quartett erinnerte sich noch einmal an die dramatischen Entscheidungen im Eiskanal von Yanqing, der mit allen vier möglichen Goldmedaillen fest in deutscher Hand war.
Arlt: Triumph eine "Erleichterung"
Besonders groß sei die Anspannung im Teamwettbewerb gewesen, berichtete Johannes Ludwig: "Man möchte es nicht versauen." Der Triumph für die hochfavorisierten Deutschen sei deshalb, so Arlt, "eine Erleichterung" gewesen.
Die materialtechnische Überlegenheit der Deutschen hat die Diskussion um die Einführung eines Einheitsschlittens neu angefacht. Der sei laut Arlt eigentlich nach Olympia 2022 schon geplant gewesen, der Plan sei jedoch wieder etwas in Vergessenheit geraten:
China kein favorisiertes Urlaubsland
Thema im Interview war auch die Situation im Olympia-Gastgeberland China. Natalie Geisenberger hatte in den Wochen vor den Winterspielen sogar über einen Boykott nachgedacht, sich nach einem Gespräch mit IOC-Chef Thomas Bach jedoch dagegen entschieden: "Ich habe im Vorfeld versucht, Dinge zu regeln. Aber ich bin Sportlerin, keine Politikerin." China werde auch weiterhin nicht ihr favorisiertes Urlaubsland werden.
Vor den Winterspielen hatte es Warnungen vor dem Klau von Daten und Passwörtern gegeben. Und auch die Menschenrechtssituation im Land sollte während Olympia nicht angesprochen werden: "Nichts über China zu sagen, so lange wir in China sind, ist schon krass."
Die olympischen Winterspiele in Peking waren "komplett andere Spiele", sagt Rennrodlerin Natalie Geisenberger bei Lanz. Es war für sie lange eine Option, nicht hinzufliegen.
IOC-Chef Bach "schummelt" sich in Foto
Tobias Wendl erinnerte sich an eine Szene nach dem Goldgewinn, als sich IOC-Chef Bach in ein Foto mit ihnen "geschummelt" und danach sofort wieder verschwunden war: "Ich finde schon skurril, wie das abgelaufen ist." Es habe in diesem Moment kein Gespräch mit Bach über die Vorfälle bei den olympischen Testrennen gegeben, wo sein vermeintlich corona-positiver Partner Arlt "mit Kakerlaken im Hotel weggesperrt" worden sei.
Geisenberger hatte die Missstände im Gespräch mit dem IOC-Chef offen angesprochen und eine Verbesserung für Olympia erwirkt. Einig sind sich die Gold-Rodler darin, dass sich künftig etwas bei der Vergabe von Olympischen Spielen ändern muss. Arlt: "Ich wünsche mir nachhaltige Spiele und Sportstätten."
Kaum Neubauten bei Winterspielen 2026 in Mailand
Bei den nächsten Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina werden hauptsächlich bestehende Sportstätten genutzt. Natalie Geisenberger will dann "auf jeden Fall" dabei sein - "als Sportler oder als Fan".