Skispringen: Bei der Vierschanzentournee fehlt der Schnee

    Skispringen und Klimawandel:Vierschanzentournee künftig ohne Schnee?

    von Lars Becker
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    Die Temperaturen sind frühlingshaft, Schnee gibt es bei der 71. Vierschanzentournee nur künstlich an der Schanze. Wird der Skisprung-Grand-Slam künftig grün?

    Naoki Nakamura
    Kein seltener Anblick: Weltcup-Skispringen in grüner Landschaft.
    Quelle: imago

    Mit 13 Grad Plus war es beim traditionellen Neujahrs-Skispringen in Garmisch-Partenkirchen ziemlich warm. Anderswo in Deutschland waren es sogar 20 Grad. Die 71. Vierschanzentournee geht inmitten grüner Landschaften trotzdem mit strahlend weiß belegten Schanzen über die Bühne.

    Kunstschnee für die Vierschanzentournee

    In der Kälteperiode im Dezember konnte an allen vier Orten genug Kunstschnee produziert werden, "mit minimalem Energieaufwand", wie Tournee-Präsident Dr. Peter Kruijer eiligst hinzufügt.
    Die Organisatoren von Wintersport-Veranstaltungen sind nämlich durch die mit dem Ukraine-Krieg verbundene Energiekrise noch mehr unter Druck geraten. Neben den immer wärmer werdenden Wintern schaut die zum Stromsparen aufgeforderte Öffentlichkeit genau darauf, wie viel Energie durch die Produktion von Schnee und das Flutlicht verbraucht wird.
    "Die Beschneiung einer Schanze kostet laut Aussagen der Betreiber derzeit etwa 150.000 Euro", weiß Horst Hüttel, der im Deutschen Skiverband (DSV) für Skispringen und Nordische Kombination zuständig ist. Steigen die Preise weiter, kann dies auch für Organisatoren von Wintersport-Großveranstaltungen existenzbedrohend werden.

    Beschneiung der Schanzen: Lohnt sich der Aufwand?

    Lohnt sich dieser Aufwand in Zeiten von Klima- und Energiekrise noch? Der Saison-Auftakt der Skispringer Anfang November in Wisla hat bewiesen, dass es auch anders geht: In Polen wurde erstmals bei einem Weltcup auf Kunststoff-Matten gelandet. Der Großteil der Skisprung-Szene hat diesen Schritt mitgetragen, auch wenn er für viele wie Karl Geiger ziemlich gewöhnungsbedürftig war.
    Dass die Vierschanzentournee als größtes Traditionsevent im Skispringen im "grünen Matten-Gewand" statt in Weiß daherkommt, kann sich der deutsche Top-Springer Karl Geiger weiterhin "schwer vorstellen. Da hätte ich mit Sicherheit melancholische Gefühle, weil zu diesem Traditionsevent zum Jahreswechsel ganz einfach Schnee gehört. Außerdem wäre es nicht so einfach, das Ganze auf Matten durchzuziehen", so Geiger.
    Wenn man die Schanze wintertauglich mache, würden Netze über die Matten gespannt und das Wasser wegen der Frostgefahr abgestellt. "Wenn man das nicht tut und es schneit dann, sammelt sich der ganze Schnee im Auslauf und es wäre schwer, die Schanze dann sprungfertig zu bekommen."

    Schmitt: "Schnee gehört einfach dazu"

    Die Entscheidung, ob man die Tournee ohne Schnee durchzieht, müsste also sehr früh getroffen werden. Auch die deutsche Skisprung-Legende Martin Schmitt sieht eine Tournee ohne Schnee in nächster Zeit noch nicht kommen: "In den nächsten zehn Jahren werden sie es sicher mit dem Schnee noch hinbekommen. Man darf die Macht der Bilder im Fernsehen nicht unterschätzen", findet Schmitt.

    Zum Skisport und zum Skispringen gehört einfach Schnee. Und so ein Aufsprunghang kann ja auch mit relativ wenig Aufwand mit Schnee präpariert werden - ganz im Gegensatz zu einer alpinen Abfahrt wie der Streif.

    Martin Schmitt

    Inzwischen wird über diese Alternative von "grünen" Wettbewerben im Internationalen Skiverband FIS viel ernsthafter nachgedacht, zumindest, was die Zukunft des gesamten Skisprung-Weltcups betrifft. "Es gibt Ideen und Diskussionen, zumindest in den Herbst reinzugehen", verrät Bundestrainer Stefan Horngacher.

    Sommer-Grand-Prix als Weltcup?

    Man könne auch die Sommer-Grand-Prix-Serie der Skispringer zum Weltcup machen - schließlich würden die Skispringer beim Grundlagen-Training im Sommer "gemacht". Und seien deshalb ohnehin Sommer- und Wintersportler.
    Laut Horngacher sind die Skispringer für alle Probleme der Klima- und Energiekrise gerüstet und könnten unter allen Bedingungen fliegen: "Ob Tag, Nacht, Sommer oder Winter - es ist alles egal." Nur der (Kunst-)Schnee bei der Vierschanzentournee scheint noch unverzichtbar.
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