Nach WM-Aus: DFB im Krisenmodus - Bierhoff im Fokus

    Nach WM-Aus:DFB im Krisenmodus - Bierhoff im Fokus

    von Frank Hellmann
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    Der größte Einzelsportverband der Welt kommt aus den unruhigen Zeiten nicht heraus. Im Zentrum der Kritik steht DFB-Direktor Oliver Bierhoff.

    Bayern, München: Teammanager Oliver Bierhoff kommt am Flughafen München an.
    DFB-Direktor Oliver Bierhoff kommt nach dem WM-Aus des DFB-Teams in München an.
    Quelle: Lennart Preiss/dpa

    Es war gut gemeint und auch gut gemacht, als der Deutsche Fußball-Bund (DFB) einen Monat vor WM-Start auf seinen neuen, teuren Campus in Frankfurt eingeladen hatte, um mit einem simulierten Nationalmannschaftslehrgang die Zukunftspläne vorzustellen. Der Ex-Profi Jan-Ingwer Callsen-Bracker demonstrierte die Effekte vom neurozentrischen Training und Medienvertreter konnten mit dem Tool "TrackMan" ihre eigene Freistoßtechnik auswerten.
    Der für alle Nationalmannschaften und die Akademie zuständige Direktor Oliver Bierhoff hatte bei seiner Ansprache erklärt:

    Wir arbeiten hier für den besten Fußball der Welt, damit wir Freude am Fußball haben und wieder an die Weltspitze kommen.

    Oliver Bierhoff, DFB-Direktor

    Nur anderthalb Monate später ist nichts davon übrig. Die Weltspitze ist gefühlt weiter weg als Berlin von Doha und die Freude ist in Bestürzung, Entsetzen oder Ablehnung umgeschlagen. Deutschland hat bei der WM 2022 viel mehr verloren als nur ein Spiel. Wissen das eigentlich alle?

    Gewaltiger Imageschaden

    Zum sportlichen Offenbarungseid kommt ein gewaltiger Imageschaden. National und international könnten die Sichtweisen unterschiedlicher kaum sein.
    In Deutschland wird dem DFB verübelt, dem Druck der FIFA wegen der One-Love-Kapitänsbinde nachgegeben zu haben. International steht das DFB-Team als Besserwisser dar, weil es in das erste muslimische Land als WM-Ausrichter mit dem moralischen Zeigefinger gereist ist, um sich dann selbst wenig respektvoll zu verhalten, wenn Spieler die offizielle FIFA-Pressekonferenz schwänzen dürfen, weil ihnen keine längere Fahrzeit zuzumuten ist. Die Protestgeste des Mundzuhaltens wurde in arabischen Sendern nach dem WM-Aus des vierfachen Weltmeisters rauf und runter verspottet.

    Bierhoff im Zentrum der Kritik

    Die Nationalelf verliert auf ganz vielen Ebenen ihren Rückhalt. Was eben Bierhoff ins Zentrum der Kritik rückt. Dem 54-Jährigen ist der Hauptvorwurf zu machen, überhaupt nichts aus den Fehlern der vermasselten letzten Turniere gelernt zu haben.
    Die Quartierwahl zur WM 2018, das Krisenmanagement in der Causa Mesut Özil und Ikay Gündogan nach deren Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyipp Erdogan waren schon Rohrkrepierer.
    Während der EM 2021 hagelte es Kritik am DFB von der Stadt München wegen mangelnder Einflussnahme bei der UEFA, um das EM-Stadion im Spiel gegen Ungarn in Regenbogenfarben beleuchten zu dürfen. Auch sportlich lief es für den Verband nicht: Nach dem Zitter-Remis der DFB-Elf gegen Ungarn folgte das Aus im Achtelfinale gegen England. In Katar krallte sich die sportliche Leitung an der One-Love-Botschaft fest, als sei die Binde wichtiger als die Taktik gegen Japan. Das Ergebnis ist bekannt.

    Neuendorf durchleuchtet Bierhoffs Arbeit

    DFB-Präsident Bernd Neuendorf - von dem Bierhoff übrigens Anfang Oktober 2021 vor einem Länderspiel noch sagte, er kenne den Namen nicht - ist zwar erst seit neun Monaten im Amt, aber der ehemalige SPD-Politiker lernt schnell. Neuendorf will Bierhoffs Bereich bei anstehenden Krisentreffen genau durchleuchten. Die Aufarbeitung müsse "die Entwicklung der Nationalmannschaft und unseres Fußballs seit 2018" umfassen, sagte der 61-Jährige nach dem WM-Aus und bat Bierhoff und Bundestrainer Hansi Flick für kommende Woche zum Rapport.
    Die Gespräche sollen laut Neuendorf ergebnisoffen verlaufen. Dabei wird die Deutsche Fußball-Liga (DFL) ein gehöriges Wort mitreden. Nach dem WM-Desaster 2018, als das fußballerische Versagen alles überstrahlte, stellte der damalige Liga-Boss Christian Seifert zwar die DFB-Oberen in den Senkel, reichte aber Bierhoff zugleich die Hand. Dieser hatte über die Jahre an vielen Schnittstellen ein gutes Verhältnis aufgebaut. Zwei smarte Manager, die nicht verfeindet waren. Bierhoff gelobte bei den Krisensitzungen im Frankfurter Westend Besserung - und konnte bleiben.

    Bierhoff-Kritiker Watzke mit am Tisch

    Jetzt ist das nicht mehr sicher. Entscheidungen fallen nie ohne Liga-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke. Der Boss von Borussia Dortmund sieht den Macher Bierhoff deutlich kritischer, weil er um das Erscheinungsbild des deutschen Fußballs fürchtet, das letztlich auch der Bundesliga viel Geld kosten kann.
    Nur ein Aspekt: Der arabische Raum, auch Teile vom asiatischen Markt könnten auf die Idee kommen, für Bundesliga-Übertragungen keine nennenswerten Summen mehr zu bezahlen. Weil sich die Nationalmannschaft und der DFB in der Golfregion wie ein orientierungsloser Elefant im Porzellanladen verhalten haben.

    Oliver Bierhoff hat für die Nationalmannschaft selbst zwischen 1996 und 2002 70 Länderspiele bestritten und dabei 37 Tore erzielt. Im EM-Finale 1996 gegen Tschechien (2:1) glückten ihm beide Treffer, das Golden Goal in Wembley machte ihn weltweit berühmt. Nur zwei Jahre nach seinem Karriereende in der DFB-Auswahl stand er beim Verband auf der Gehaltsliste.

    Er fing als Teammanager an und ist heute der Mastermind. Offizieller Titel: DFB-Direktor Nationalmannschaften und Akademie. Seit seinem Amtsantritt im Sommer 2004 hat der 54-Jährige mit fast jedem Präsidentenwechsel in dem von Krisen und Skandalen geschüttelten Verband an Einfluss gewonnen.

    Mit seinem sportlichen Leiter Joti Chatzialexiou und Akademieleiter Tobias Haupt hat er Männer in Führungspositionen gehievt, die mit viel Weitblick die Zukunft planen, aber in den föderalen Strukturen an Grenzen stoßen.

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