Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat dem neuen Infektionsschutzgesetz zugestimmt - unter breitem Protest. Trotzdem gab es viel Kritik an der Ampel.
Seit Monaten gelten staatliche Corona-Beschränkungen - vom Zugang nur für Geimpfte und Genesene bis zur Maskenpflicht im Supermarkt. Solche flächendeckenden Schutzvorgaben laufen jetzt aus - inmitten einer Infektionswelle.
Der Bundesrat ließ am Freitag unter breitem Protest ein neues Gesetz passieren, das der Bundestag kurz zuvor beschlossen hatte. Es ermöglicht nur noch deutlich weniger flächendeckende Schutzregeln im Alltag. Bei den Beratungen wurde erneut viel Kritik am Vorgehen der Ampel-Koalition laut.
Lauterbach: "Schwerer Kompromiss"
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte die geplanten rechtlichen Neuregelungen erneut. Es handele sich um einen "schweren Kompromiss", sagte er. "Das ist aber nicht der Kompromiss zwischen Team Freiheit und Team Vorsicht", so Lauterbach.
Man müsse die rechtliche Lage beachten. "Wir können nicht weiter das gesamte Land unter Schutz stellen, um eine kleine Gruppe von Impfunwilligen und denjenigen, die nicht bereit sind die Maßnahmen mitzutragen, um diese zu schützen, die Balance wird geändert."
Gesundheitsminister Karl Lauterbach geht davon aus, dass das neue Infektionsschutzgesetz in der Praxis gut wirken wird.
Union: Regelungen erzeugen Wirrwarr
Im Bundesrat rechneten alle Redner scharf mit dem Vorgehen der Bundesregierung ab. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) beklagte: "Das Verfahren ist unsäglich und schlichtweg unwürdig." Es habe keine Abstimmung mit den Ländern gegeben. Die Regelungen seien rechtlich nicht sicher und für ein Flächenland praktisch nicht umsetzbar. Die geplanten Regelungen erzeugten ein Wirrwarr, sagte auch der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge.
"Es ist ein absolutes Novum in der Geschichte, dass 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten dieser Bundesregierung in Protokollerklärungen sagen, dass es so nicht geht", sagte er.
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Es ging um den Krieg in der Ukraine und alle Folgen. Doch beim Treffen mit dem Bund hatten die Länder vor allem Redebedarf zum Thema Corona. Es gab Krach. Das gibt es schriftlich.
Scharfe Worte auch von der Opposition
Kritik kam auch von den Oppositionsfraktionen Linke und AfD. Die Koalition treibe Gesetze "im Schweinsgalopp" durch das Parlament, die handwerklich schlecht gemacht seien, sagte die Linken-Abgeordnete Susanne Ferschl. Angesichts der neuen Rekordwerte bei den Infektionen sende das Gesetz das falsche Signal: "Bei Höchstständen lockert man doch nicht von 100 auf nahezu null", sagte Ferschl.
Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) monierte: "Was mache ich in einem Bundesland, in dem die Kliniken alle spezialisiert sind und es die klassische Einzelklinik in einem Landkreis A, B oder C gar nicht gibt?" Mit Blick auf künftig nötige Landtagsbeschlüsse für Hotspot-Regelungen verwies er darauf, dass er in seinem Parlament bekanntlich keine eigene Mehrheit habe. Zudem müsse er Vorlagen dazu auf unklaren Rechtsbegriffen des Bundes gründen.
Wegen der hohen Corona-Zahlen gibt es viel Kritik an dem neuen Infektionsschutzgesetz der Ampel-Koalition. Es sieht vor, dass ab Sonntag die meisten Corona-Maßnahmen wegfallen.
AfD sorgt für Eklat
Der Abgeordnete Stephan Brandner von der AfD-Fraktion sorgte während der Debatte für einen Eklat: Er bezeichnete Gesundheitsminister Lauterbach als Lügner und nannte ihn "Klabauterbach". Hintergrund war Lauterbachs Warnung, dass bis März dieses Jahres alle Menschen in Deutschland entweder geimpft, genesen oder gestorben sein würden.
Brandner bezeichnete sich selbst als das "lebende Beispiel", dass das nicht stimme - er selbst sei "weder geimpft, noch genesen und auch noch nicht gestorben". Lauterbach reagierte empört. Im Namen aller demokratischen Parteien sagte er: "Wir wollen uns nicht als Lügner diffarmieren lassen." Dafür bekam er Applaus aus allen Fraktionen - außer der AfD.
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