Bundesgesundheitsminister Spahn und RKI-Chef Wieler zeigen sich besorgt über die Corona-Situation. "Die Lage ist dramatisch ernst", so Spahn. Es gebe aber eine gute Nachricht.
Die Corona-Lage in Deutschland spitzt sich weiter zu: Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz steigt weiter an, auch am Freitag wurden neue Höchstwerte verzeichnet. Binnen eines Tages wurden laut Robert-Koch-Institut (RKI) 76.414 Neuinfektionen registriert.
Spahn sagt: "Wir haben die traurige Zahl von über 100.000 Corona-Toten zu beklagen." Erstmals in dieser Pandemie müssten im größeren Umfang 100 Intensivpatienten innerhalb Deutschlands verlegt werden - auch mit Hilfe der Luftwaffe."
Wer glaube, dass die Welle nur durch Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg gehe, irre, sagte der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister. Die Welle werde auch durch das ganze Land gehen. "Das haben wir in der Hand."
Impfquote und Testen machten den Unterschied, so Spahn. Aber kurzfristig helfe nur eins:
Er sprach sich unter anderem für strengere Kontaktbeschränkungen, 2G plus und die Absage größerer Veranstaltungen aus. Am besten finde die Ministerpräsidenten-Konferenz schon in den nächsten Tagen statt, so Spahn. "Die letzte war drei Wochen zu spät." Der Übergang zwischen einer bisherigen Regierung und einer neuen dürfe nicht zu einer Verzögerung führen.
Das Verlegen von Patienten und das Verschieben von Operationen sei nur "Symptom-Bekämpfung", kritisierte Spahn weiter.
Impfkampagne nimmt wieder Fahrt auf
Doch es gab auch gute Neuigkeiten: Die Impfkampagne zieht wieder an, verkündete Spahn. "Erstmals gab es wieder über 100.000 Erstimpfungen innerhalb von zwei Tagen und zwei Millionen Auffrisch-Impfungen in dieser Woche."
Mobile Teams, die ohne Termin "Impfen für alle" anbieten, werden geradezu überrannt. Auch in Thüringen, wo ein Kleintransporter über die Dörfer fährt.
Und die Bestellungen zeigten: "Der Trend hält an." Alleine in dieser und der nächsten Woche gingen insgesamt 18 Millionen Booster-Impfdosen in die Versorgung an die Länder, Arztpraxen und Großhändler, so Spahn weiter.
Lage der Intensivstationen
Lothar Wieler begann mit einem Appell, der Corona-Toten zu gedenken. "Die Zahl der Intensivpatienten gehen steil nach oben", so der RKI-Chef. "Der Großteil ist zwischen 50 und 79 Jahre alt." 85 Prozent der aktuell behandelten Covid-19-Patienten benötigten eine Form der Beatmung.
Er schloss sich Spahns Kritik an: "Wir brauchen eine massive Reduktion der Kontakte - jetzt sofort."
Weg ins Chaos oder zum friedlichen Weihnachtsfest?
"Der kommende Winter hängt von unserem Verhalten ab und von der Entscheidung der Verantwortungsträger, kontaktreduzierende Maßnahmen zu erlassen", so Wieler.
"Wir stehen an einer Kreuzung, wir haben eine Wahl. Wir können den Weg wählen, der ins Chaos führt und zu einem schlechten Ende." Der Tanker fahre dann gegen die Kaimauer. "Oder den, der das Gesundheitssystem entlastet und vielleicht ein friedliches Weihnachtsfest ermöglicht und auch noch viel mehr Menschen am Weihnachtstisch sitzen lässt."
Streit um Weihnachtsmärkte: Die Verantwortung für die Veranstaltungen tragen die Kommunen - wie die Stadt Freiberg in Sachsen. Die Menschen freuen sich, doch es bleibt ein mulmiges Gefühl.
Er verwies ebenfalls auf die 100.000 Menschen in Deutschland seit Beginn der Pandemie, die ihr Leben verloren haben.
"Was muss denn noch geschehen, damit alle daran mitwirken, das Virus zu bekämpfen?", fragte Wieler.
Sorge vor der Südafrika-Variante?
Er äußerte sich außerdem beunruhigt wegen der in Südafrika aufgetretenen neuen Virus-Variante.
Bislang sei nach seiner Kenntnis aber noch kein Fall in Deutschland oder Europa festgestellt worden. Er ergänzte, die Gefährlichkeit könne noch nicht eingeschätzt werden.
Spahn bat Reisende aus Südafrika, sich mit einem PCR-Test testen zu lassen. Da die Einschätzung als Virusvariantengebiet mit der Quarantäne-Auflage erst ab Freitagnacht greife, appellierte er an Menschen, die heute oder vor einigen Tagen aus Südafrika angekommen seien, sich freiwillig testen zu lassen.