Mehr als 1.000 Corona-Infizierte, die Bundeswehr im Einsatz, Deutschlands größter Fleischbetrieb geschlossen. Der Leiter des Krisenstabes spricht von fehlendem Vertrauen.
Nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischproduzenten Tönnies sind mittlerweile 1.029 Mitarbeiter positiv getestet worden. Dies teilte der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer, in Gütersloh mit. Insgesamt lägen 3.127 Corona-Befunde vor. Bislang gebe es keine signifikanten Fälle bei der allgemeinen Bevölkerung über den Schlachtbetrieb hinaus.
Der Landrat beklagte, dass es dem Unternehmen nicht gelungen sei, die Adressen aller Mitarbeiter vorzulegen. Um alle Wohnadressen der Mitarbeiter zusammenzutragen, habe man sich gemeinsam mit dem Arbeitsschutz die Daten beim Konzern abgeholt. "Das war wirklich ein Kraftakt", sagte der Landrat bei einer Pressekonferenz zur aktuellen Situation in Gütersloh.
Das Verhältnis zwischen dem Kreis Gütersloh und der Firma Tönnies ist offenbar zerrüttet. "Das Vertrauen, das wir in die Firma Tönnies setzen, ist gleich Null. Das muss ich so deutlich sagen", sagte der Leiter des Krisenstabes, Thomas Kuhlbusch.
Die Corona-Reihenuntersuchungen auf dem Gelände der Fleischfabrik im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück wurden fortgesetzt. Seit Freitag unterstützt die Bundeswehr die Maßnahmen und ist mit 65 Soldaten vor Ort.
Möglicher Hotspot: Zerlegebereich der Fleischproduktion
Der Hotspot der Infektionen ließe sich offenbar auf den Bereich der Zerlegung zurückführen. Ein Grund könnten die dortigen niedrigen Temperaturen und engen Arbeitsverhältnisse sein, so Adenauer.
Mit so genannten mobilen Teams schaue man sich jetzt die Wohnverhältnisse der Menschen an, mache Abstriche und führe Gespräche über die Quarantäne. Die Teams werden von zehn rumänisch und fünf polnisch sprechenden Dolmetschern unterstützt.
Der Landrat des Kreises Gütersloh und der Leiter des Krisenstabs werfen dem Unternehmen vor, nicht ausreichend bei der Eindämmung des Corona-Ausbruchs zu unterstützen.
Tönnies weist Vorwürfe zurück
Unternehmer Clemens Tönnies hat die Vorwürfe des Landkreises Gütersloh zurückgewiesen, bei der Beschaffung der Wohnadressen von Mitarbeitern unkooperativ gewesen zu sein. "Wir haben datenschutzrechtliche Probleme", sagte Tönnies am Samstag bei einer Pressekonferenz in Rheda-Wiedenbrück.
Laut Werkvertragsrecht dürfe das Unternehmen die Adressen der betreffenden Arbeiter nicht speichern. Co-Konzernchef Andres Ruff fügte hinzu: "Wir haben alle Daten, die wir hatten, sofort an die Behörden weiter gegeben." Clemens Tönnies wolle nun alles tun, um den Ausbruch einzudämmen. "Ich stehe in der Verantwortung", so der 64-Jährige weiter. "So werden wir nicht weitermachen. Wir werden diese Branche verändern."
Quarantäne für Mitarbeiter und Haushaltsangehörige
Der Kreis hatte am Freitag verfügt, dass alle rund 6.500 Tönnies-Mitarbeiter am Standort Rheda-Wiedenbrück mitsamt allen Haushaltsangehörigen in Quarantäne müssen. Das Land will die Quarantäne-Anordnung für die Mitarbeiter konsequent durchsetzen.
"Wir müssen sicherstellen, dass in dieser Situation jeder sich an die Regeln hält", stellte Laschet am Freitagabend klar. Noch könne das Infektionsgeschehen lokalisiert werden. "Sollte sich dies ändern, kann auch ein flächendeckender Lockdown in der Region notwendig werden."
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass es unter den Mitarbeitern des größten deutschen Schlachtbetriebs von Tönnies bei Rheda-Wiedenbrück zu einem Ausbruch mit einer Vielzahl von Corona-Infizierten gekommen ist. Bereits im Mai war es bei auf einem Schlachthof von Westfleisch im Kreis Coesfeld zu einem Corona-Ausbruch gekommen.
Klöckner: "Fleisch ist zu billig"
Nach dem erneuten Corona-Ausbruch in der Schlachtbranche wächst der Druck, den massiven Preiskampf zu unterbinden. "Fleisch ist zu billig", sagte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Sie setzt sich für eine Tierwohl-Abgabe ein.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag": "Es kann nicht sein, dass Menschen aus Mittel- und Osteuropa in Deutschland ausgebeutet werden, damit skrupellose Firmen milliardenschwere Gewinne einfahren." Heil will im Sommer einen Gesetzentwurf vorlegen, um von 2021 an Werkverträge in der Branche weitgehend zu verbieten.