Nordrhein-Westfalens Regierungschef Laschet machte sich persönlich ein Bild von der Corona-Lage im Kreis Gütersloh. Einen Lockdown hat er ausdrücklich nicht ausgeschlossen.
Nach dem Corona-Ausbruch mit mehr als 1.300 Infizierten in einer Fabrik des Fleischkonzerns Tönnies bleiben dem Kreis Gütersloh drastische Einschränkungen des Alltags vorerst erspart. Nach einer Krisensitzung stellte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet jedoch klar, dass ein regionaler Lockdown weiter eine Option sei, um die Infektionen unter Kontrolle zu bekommen.
In der Kritik von Politik und Verbraucherschützern stehen der Unternehmer Clemens Tönnies sowie die Branche insgesamt - der Vorwurf: Ungesunder Preiskampf bei Fleisch zu Lasten der Beschäftigten, der Landwirte und des Tierwohls.
Es gebe "ein enormes Pandemie-Risiko", warnte Laschet in Gütersloh. Das Infektionsgeschehen sei jedoch bei der Firma lokalisierbar, und es gebe keine Infektionskette in die übrige Bevölkerung der Region. Sein Kabinett war zu einer Krisensitzung zusammengekommen.
Tests im Umfeld der Firma Tönnies sind abgeschlossen
Die Zahl der Infizierten in der Fabrik in Rheda-Wiedenbrück stieg bis Sonntag nach Angaben des Kreises auf 1.331. Die Tests auf dem Gelände der Firma seien am Samstag abgeschlossen worden, hieß es. Insgesamt 6.139 Tests seien gemacht worden, 5.899 Befunde lägen zunächst vor, bei 4.568 Beschäftigten sei das Virus nicht nachgewiesen worden.
Laschet warnte Tönnies-Beschäftigte aus anderen Ländern vor einer überstürzten Abreise in ihre Heimat und versprach "bestmögliche medizinische Behandlung" in Deutschland. Es würden so viele Dolmetscher wie möglich in die Unterkünfte der Beschäftigten geschickt. Das Problem sei, dass diese auf 1.300 Liegenschaften verteilt seien. Drei Hundertschaften der Polizei unterstützten die Ordnungsämter dabei, die Quarantäne aller rund 6.500 Mitarbeiter durchzusetzen.
Verschärfte Regeln für Schlachtindustrie
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann beklagte, dass in der Schlachtindustrie eine Struktur geschaffen wurde, in der es keine Transparenz gebe. Freiwillige Lösungen mit der Branche könne es nicht mehr geben: "Jetzt ist es einfach so weit, jetzt muss es geregelt werden."
Die Politik sieht parteiübergreifend Handlungsbedarf. "Fleisch ist zu billig", sagte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Sie setzt sich daher nun auch für eine Tierwohlabgabe ein, die auf Fleisch, Wurst und anderes aufgeschlagen werden könnte. "Dabei soll Fleisch kein Luxusprodukt für Reiche werden. Aber auch keine Alltagsramschware."
Grünen-Chef Robert Habeck sagte: "Wir müssen hin zu einer Tierhaltung, die am Wohle der Tiere ausgerichtet ist und nicht einzig und alleine auf Dumping-Preise und Wettbewerbslogiken." "Ein höherer Preis durch eine neue Fleischsteuer oder Tierwohlabgabe garantiert leider keine bessere Qualität, kein höheres Tierwohl oder Arbeitssicherheit in Schlachtereien", sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, der "Rheinischen Post".