Es gibt einige Kritik an der Corona-Notbremse, die das Bundeskabinett auf den Weg gebracht hat. Doch aus Sicht von Kanzlerin Merkel ist sie "notwendig" und "überfällig".
Das Kabinett hat sich auf bundeseinheitliche Corona-Maßnahmen geeinigt. Die Notbremse sei angesichts steigender Zahlen "überfällig", sagt Kanzlerin Merkel. Das ganze Statement.
Das Bundeskabinett hat für eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes gestimmt. Die Entscheidung sei ein "ebenso wichtiger wie auch dringender Beschluss darüber, wie es in der Corona-Pandemie weitergehen soll", sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). "Die Lage ist ernst." Zwar sehe die Notbremse harte Einschnitte für Kreise mit einer Inzidenz von über 100 vor, doch durch die Impfkampagne sei ein Ende der "Entbehrungen und Freiheitseinschränkungen" in Sicht. "Wir gehen dem Licht am Ende des Tunnels mit immer größeren Schritten entgegen." [Lesen Sie hier, welche konkreten Maßnahmen die Notbremse umfasst.]
Zudem machte das Kabinett den Weg frei für eine Verordnung des Bundesarbeitsministeriums über verpflichtende Testangebote in Unternehmen.
Doch an den Entscheidungen gibt es Kritik - aus unterschiedlichen Gründen:
Für Lauterbach kommt die Notbremse zu spät
Für den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach kommt die Änderung des Infektionsschutzgesetzes zu spät, zumal es noch Bundestag und Bundesrat passieren muss. "Wir werden das Notbremsengesetz erst in einer Woche beschließen. Dann haben wir fünf Wochen Notbremse verloren", twitterte er. Er sei pessimistisch, dass die Regeln so ausreichten.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich geht davon aus, dass im parlamentarischen Verfahren noch "an der einen oder anderen Stelle Verbesserungen" einfließen werden. Der SPD ist etwa die Inzidenz-Regel zu starr. In Fällen, in denen der Wert in einem Landkreis oder einer Stadt mehrere Tage um 100 schwankt, könne es sinnvoll sein, von der Drei-Tage-Regelung abzuweichen, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese der "Welt". Außerdem solle stärker zwischen Drinnen und Draußen differenziert werden. Die Ansteckungsgefahr im Freien sei geringer.
Dobrindt: Zu hohe Grenzwerte für Schulen
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte, dass Schulschließungen erst ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 vorgesehen sind. "Ich hätte mir gewünscht, dass deutlich früher eine Entscheidung fällt, die Schulen geschlossen zu halten", sagte Dobrindt. Denn es gebe dort ein "erhebliches Infektionsgeschehen".
Die Grünen unterstützen die Neuregelung grundsätzlich. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bezeichnete sie jedoch als "Notbehelf", notwendig sei ein "bundesweiter Stufenplan", der neben Schutzmaßnahmen auch Öffnungsperspektiven enthalte. "Vor allen Dingen müssen wir endlich verbindlich an die Arbeitswelt heran", forderte sie. Statt der vorgesehenen Pflicht für Unternehmen zu Testangeboten müsse es wie in Schulen eine Testpflicht für die Beschäftigten geben. Auch die Pflicht zum Homeoffice müsse strikter durchgesetzt werden, in der Privatwirtschaft wie auch in staatlichen Verwaltungen.
Ablehnung von FDP, Linken und AfD
FDP-Chef Christian Lindner zog die Sinnhaftigkeit des Gesetzes grundsätzlich in Zweifel. "Dieses Bundesgesetz hätte man nicht gebraucht", sagte er. Ablehnung kam auch von den Linken. Mit ihr seien "Ausgangssperren nicht zu machen", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch.
Die AfD kritisierte die Notbremse als "nächsten Höhepunkt einer Corona-Politik mit der Holzhammermethode." Co-Parteivorsitzender Tino Chrupalla twitterte: "Ausgangsbeschränkungen für Spaziergänger? Masken im Freien? Pauschale Betriebsschließungen? Diese Politik lässt jede Verhältnismäßigkeit missen!"