Kanzler Scholz hat bei seiner ersten Regierungserklärung auf die größten Herausforderungen eingestimmt. In der Corona-Krise bestritt er die These von einer angeblichen Spaltung.
Olaf Scholz hat bei seiner ersten Regierungserklärung im Bundestag den Bürgern Mut gemacht, dass die Corona-Krise überwunden werden kann. "Ja, es wird wieder besser, ja, wir werden den Kampf gegen diese Pandemie mit der größten Entschlossenheit führen, und ja, wir werden diesen Kampf gewinnen", sagte er.
Scholz betonte:
Die Regierung werde jeden nur möglichen Hebel bewegen, "bis wir alle unser früheres Leben und alle unsere Freiheiten zurückbekommen haben".
Impfen als der Weg aus der Pandemie
Scholz warb bei seiner Rede ausdrücklich fürs Impfen: "Die Lage ist schwer, aber die Lösung liegt auf der Hand", sagte der SPD-Politiker. Im vergangenen Winter sei das oberste Gebot gewesen, Kontakte zu reduzieren. Jetzt seien regelmäßige Tests und behutsamer Verzicht auf Kontakte angebracht, sagte Scholz.
Der Bundeskanzler bekräftigte zudem das Ziel, bis Jahresende 30 Millionen Dosen als Erst-, Zweit- oder Booster-Impfung verabreicht zu haben. Seit 18. November seien bereits 19 Millionen Dosen verimpft worden. Jetzt gelte es, in den verbleibenden Tagen bis Jahresende den Rest zu schaffen. Nur so bekomme Deutschland es hin, die Welle hinter sich zulassen, sagt Scholz.
Die Rede von Scholz in voller Länge:
Sehen Sie hier die Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu den Leitlinien seiner Politik in den nächsten vier Jahren in voller Länge.
Scholz: Gesellschaft ist nicht gespalten
Außerdem betonte er: "Viel ist ja zurzeit von der angeblichen Spaltung unserer Gesellschaft die Rede. Dazu stelle ich fest: Unsere Gesellschaft ist nicht gespalten." Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland verhalte sich in der Pandemie "solidarisch, vernünftig und vorsichtig".
Die Bundesregierung sei aber "ausdrücklich auch die Regierung derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die noch Zweifel haben oder vielleicht ganz einfach noch nicht dazu gekommen sind, sich impfen zu lassen.“
Deutschland "eine wehrhafte Demokratie"
Gleichzeitig hat Scholz der Gruppe extremer Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen den Kampf angesagt.
Dieser "winzigen Minderheit der Hasserfüllten" werde man mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaats begegnen. Deutschland sei eine wehrhafte Demokratie, sagte Scholz.
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Das LKA Sachsen durchsucht in Dresden mehrere Objekte. Grund sind bei Telegram besprochene Mordpläne gegen Ministerpräsident Kretschmer, über die ZDF Frontal berichtet hatte.
Bundeskanzler: Fortschritt für Klimaziele nutzen
Scholz betonte, dass seine Regierung eine Fortschrittsregierung sein will: des technischen, sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Fortschritts. "Die Kraft des Fortschritts erleben wir in der Pandemie", betonte Scholz mit Blick auf die Entwicklung der mRNA-Impfstoffe.
Die "menschengemachte Erderwärmung" müsse gestoppt, so Scholz, die Pariser Klimaziele müssten gelten. "Jetzt liegen vor uns 23 Jahre, in denen wir aus den fossilen Brennstoffen aussteigen müssen und aussteigen werden." Die Bundesregierung habe sich verpflichtet, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein muss.
Die geplante Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro soll nach den Worten von Scholz bald auf den Weg gebracht werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil werde dafür "zeitnah" einen Gesetzentwurf vorlegen, sagte er. Der Mindestlohn soll im kommenden Jahr entsprechend angehoben werden.
"Wir haben einen sehr, sehr konkreten Wahlkampf geführt mit ganz konkreten Vorhaben […] und die werden wir jetzt umsetzen", so Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
Scholz: Kampf gegen Rechtsextremismus zentral
Die wichtigste Gefahr für das deutsche Staatswesen kommt nach Einschätzung von Scholz von rechts außen.
Täter, die Hass und Hetze verbreiteten, würden identifiziert und strafrechtlich belangt, versprach Scholz.
Deutschland sei ein Einwanderungsland, sagte der Kanzler. "Darum ist es höchste Zeit, dass wir uns auch als Einwanderungs- und Integrationsgesellschaft begreifen. Dazu gehört, dass wir den Weg zur deutschen Staatsangehörigkeit erleichtern. Nur so ermöglichen wir volle politische Teilhabe und damit bessere Integration."
Mehrfach-Staatsbürgerschaften sollten möglich werden, ebenso Einbürgerungen nach fünf Jahren.
Dies beinhalte zügige Asylverfahren und gute Perspektiven für Menschen, die hier gut integriert seien, aber auch konsequente Rückführungen insbesondere von Straftätern und Gefährdern in die Herkunftsländer.
Lob an an Vorgängerin
Scholz hat den Stil des Regierungswechsels in Deutschland als vorbildhaft gelobt. Ausdrücklich dankte der neue Bundeskanzler dabei seiner Vorgängerin Angela Merkel: "In den Wochen des Regierungswechsels mitten in dieser schwierigen Zeit der Pandemie hat Bundeskanzlerin Merkel alles nur mögliche getan, um die Staffelübergabe an ihren Nachfolger so reibungslos wie nur irgend möglich zu gestalten", sagte Scholz.
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Kritik von Union-Fraktionschef Brinkhaus
Oppositionsführer Ralph Brinkhaus von der Union gratulierte Scholz zu dessen Kanzlerwahl. "Das ist Demokratie, das haben Sie sich verdient", sagte der CDU-Politiker. Die Regierungserklärung von Scholz bezeichnete Brinkhaus allerdings als ideenlos, der Kanzler habe lediglich den Koalitionsvertrag vorgetragen.
Brinkhaus kritisierte auch den neuen Finanzminister Christian Lindner scharf. Die FDP sei gewählt worden für nachhaltige Finanzen. Dieses Versprechen habe gerade einmal fünf Tage gehalten. Der nun von Lindner vorgelegte Nachtragshaushalt sei "ein Sägen an dem Fundament der Schuldenbremse", sagte der CDU-Politiker.
Die Klimapolitik der Ampel-Koalition ist ohne Verkehrswende eigentlich unvorstellbar. Doch was ist mit Volker Wissing von der FDP als Bundesverkehrsminister machbar?
Im Kampf gegen die Pandemie bot Brinkhaus die Unterstützung seiner Fraktion an.
Er betonte aber auch, dass Respekt und Kooperationsbereitschaft "keine Einbahnstraße" seien. "Eine Demokratie braucht eine starke Opposition auf Augenhöhe", sagte er. "Ob Sie das begriffen haben, können Sie in den nächsten Tagen zeigen im Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien, die nicht ihr Parteibuch haben."
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus grenzt sich in seiner Rede klar gegen die AfD ab. Es werde keine "Koalition in der Opposition" geben, sagt er.
Weidel kritisiert Migrationspolitik der Ampel
Scharfe Kritik kam erwartungsgemäß aus den Reihen der AfD. Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sagte:
Mit seiner Äußerung, auch Kanzler der Ungeimpften zu sein, sortiere Scholz die Bürger in "brave Geimpfte und ungeimpfte Abweichler". Genau das sei "die Wortwahl eines Kanzlers der Spaltung."
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel setzt in ihrer Rede auf Konfrontation. Die Pläne der Ampel-Regierung seien "unseriös", sie habe einen "lärmenden Fehlstart" hingelegt.
Weidel griff auch weitere Punkte aus der Rede von Kanzler Scholz auf: Während er und die Innenministerin Nancy Faeser den Rechtsextremismus zur größten Gefahr für die Demokratie erklärten, werde der "allgegenwärtige Links- und Islamextremismus", so Weidel, "nicht mit einem Wort" erwähnt.
Die AfD-Fraktionschefin griff die Ampel-Regierung auch für ihre Migrationspolitik an, die "noch mehr als die Vorgängerregierung die Tore für Einwanderung in die Sozialsysteme" öffne und für ihre Klimapolitik, die über "staatliche Lenkung und staatliches Geldverteilen faktisch in Sozialismus und Klimaplanwirtschaft" münde.
Linke und CSU beanstanden Ampel-Pläne bei der Finanzpolitik
Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali kritisiert die Finanzpolitik der Ampel-Koalition als unsozial. "Dass einfache und mittlere Einkommen entlastet werden, davon ist keine Rede mehr", sagt sie im Bundestag.
Auch die Besteuerung von Superreichen sei nicht geplant. Wenn die von Kanzler Olaf Scholz gepriesene soziale Gerechtigkeit ein Buch wäre, wäre es "ein Buch mit leeren Seiten, mit einem lachenden Christian Lindner auf der Titelseite".
Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt übte Kritik an der Finanzpolitik, wenn auch mit anderen Vorzeichen. Mit dem Nachtragshaushalt in Höhe von 60 Milliarden Euro umplane Deutschland die gemeinsame Haftung für Schulen in Europa. "Das ist kein Fortschritt wagen, das ist neue Risiken eingehen." Auch die "neuen Belastungen für Millionen von Bürgern" sieht Dobrindt kritisch.
- Union will gegen Ampel-Nachtragsetat klagen
Die Union hat gegen den 60 Milliarden Euro schweren Nachtragshaushalt der Ampel-Koalition Verfassungsbeschwerde angekündigt. Die FDP zeigt sich "verwundert".