Österreichs Kanzler Sebastian Kurz tritt zurück. Zwar seien die gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe unbegründet, doch drohe dem Land politische Instabilität.
Sebastian Kurz tritt als österreichischer Bundeskanzler ab. Das gab der konservative Politiker der ÖVP am Samstag bekannt, nachdem Staatsanwälte ihn als Verdächtigen in einem Korruptionsfall um angeblich gekaufte Medienberichterstattung genannt hatten.
Kurz: Platz machen, um Chaos zu verhindern
Es solle "niemals um persönliche Interessen oder politische Taktiken gehen", betonte Kurz. "Denn mein Land ist mir wichtiger als meine Person." Er wolle die entstandene politische Pattsituation auflösen und Platz machen, um Chaos zu verhindern. Deshalb habe er Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) als Nachfolger für das Kanzleramt vorgeschlagen. "Das Land braucht eine Regierung, die mit stabiler Hand regiert", sagte Kurz.
Er selber werde die Chance nutzen, "die Vorwürfe, die gegen mich erhoben worden sind, zu entkräften und zu widerlegen". Diese Vorwürfe stammten aus dem Jahr 2016 und seien falsch.
Für ZDF-Korrespondentin Britta Hilpert geht der Rücktritt vor allem auf den "Druck aus den Bundesländern" zurück. Die Spitzen der ÖVP-Landesverbände hätten "wohl befürchtet, dass ihnen die Macht im Kanzleramt komplett verloren geht, wenn sie weiterhin an Sebastian Kurz festhalten".
Dennoch, so Hilpert, habe Kurz sowohl sein Gesicht wahren können als auch seinen Einfluss: Als Parteivorsitzender und Fraktionschef im Nationalrat sei Kurz weiter "der mächtigste Mann" in der Bundespartei, zumal der designierte Kanzler-Nachfolger Schallenberg "nicht bekannt für seine ÖVP-Hausmacht" sei. Die Grünen hätten derweil im Rahmen ihrer Möglichkeiten erreicht, was zu erreichen war.
Geschönte Umfragen?
Vor der Rücktrittsankündigung hatten die Parteien hinter verschlossenen Türen über das weitere Vorgehen beraten. Kurz hatte noch am Freitagabend trotz der Korruptionsermittlungen gegen ihn erneut einen Rücktritt abgelehnt.
Doch sprach ihm Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler die Amtsfähigkeit ab. Deshalb wuchs der Druck seit Tagen auf Kurz, nachdem am Mittwoch bekannt geworden war, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn und einige seiner engsten Vertrauten wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Untreue ermittelt.
Das Team soll den Aufstieg von Kurz durch geschönte Umfragen und positive Medienberichte abgesichert haben. Im Gegenzug soll die Zeitung "Österreich" lukrative Aufträge für Anzeigen vom Finanzministerium bekommen haben. Dafür sollen auch Steuermittel geflossen sein.
Grüne: "Richtiger Schritt"
Quelle: Helmut Fohringer/APA/dpa/Archivbild
Grünen-Chef und Vizekanzler Kogler begrüßte den Rücktritt. "Ich halte das angesichts der aktuellen Situation für den richtigen Schritt für eine zukünftige Regierungsarbeit in der Verantwortung für Österreich und das Ansehen Österreichs im Ausland", teilte Kogler in einer ersten Reaktion mit.
Die Zusammenarbeit mit Außenminister Schallenberg sei bisher sehr konstruktiv gewesen. "Ich habe einen ersten Gesprächstermin mit dem von der ÖVP für das Amt des Bundeskanzlers vorgeschlagenen Außenminister für morgen vereinbart", so Kogler.
Parteifreunde und Opposition erwarten Rückkehr
Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) legte derweil auf Twitter nahe, dass es sich nur um einen Rückzug auf Zeit handeln könnte. "Aus Verantwortung für das Land tritt Sebastian Kurz einen Schritt zur Seite und wechselt bis zur Klärung der erhobenen Vorwürfe als Klubobmann in den Nationalrat."
Dass Kurz weiter Parteichef bleibt und Fraktionschef wird, werteten die Oppositionsparteien nicht nur als juristisches, sondern auch als politisches Manöver. "Seit einer Stunde ist Kurz nicht mehr Bundeskanzler, aber Schattenkanzler der Republik", sagte etwa die sozialdemokratische Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Aus ihrer Partei und auch aus der FPÖ wurden Mutmaßungen laut, dass Kurz nur deshalb ins Parlament wechsle, um für die Ermittlungen gegen ihn Immunität zu erlangen.