"Ein dickes Problem" - so bezeichnet Inneminister Seehofer die Sicherheitslage in Deutschland. Rechtsextremismus sei weiterhin die größte Bedrohung - verstärkt durch die Pandemie.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat vor einer gestiegenen Gefahr durch Rechtsextremismus in Deutschland gewarnt. Es gebe eine "besondere Sicherheitslage, die ein dickes Problem ist", sagte der CSU-Politiker bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2020.
Die Corona-Pandemie habe zusätzlich zu einer Verstärkung beigetragen, so Seehofer.
Zahl der Rechtsextremisten weiter angestiegen
Zahlreiche rechtsextremistische Großveranstaltungen seien zwar abgesagt oder verschoben worden. "Dafür haben sich die Rechtsextremisten bemüht, über die Proteste gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen Anschluss an das bürgerliche Lager zu finden", sagte Seehofer weiter.
Die Zahl der Menschen mit rechtsextremistischen Einstellungen ist im vergangenen Jahr weiter gestiegen. Dem Bericht zufolge wuchs das Personenpotenzial im rechtsextremistischen Spektrum um 3,8 Prozent auf 33.300 Menschen an. Knapp 40 Prozent von ihnen schätzt der Verfassungsschutz als "gewalttätig, gewaltbereit, gewaltunterstützend oder gewaltbefürwortend ein".
Auch die sogenannten Reichsbürger haben laut Seehofer die Pandemie für ihre "Verschwörungserzählungen aktiv genutzt" und im vergangenen Jahr weiteren Zulauf erhalten.
"Neue Rechte" erstmals im Verfassungsschutzbericht
Erstmals widmete sich der Verfassungsschutzbericht in einem Unterkapitel der sogenannten Neuen Rechten. Diese versuche "fortwährend, durch einen pseudointellektuellen Anstrich ihr rechtsextremistisches Gedankengut einzubringen", sagte der Bundesinnenminister. Dabei gehe es ihr auch darum, die Grenzen dessen zu verschieben, was öffentlich gesagt werde.
Seehofer wies darauf hin, dass drei als rechtsextremistisch eingestufte Organisationen verboten worden sind: Combat 18 Deutschland, Nordadler und Sturmbrigade 44. "Solche Zusammenschlüsse haben in unserer Gesellschaft keinen Platz."
Bei der Vernetzung und Radikalisierung von Rechtsextremisten spiele das Internet nach wie vor eine wichtige Rolle, erklärte Seehofer:
Im Netz entsteht ein neuer Rechtsterrorismus, warnen Forscher*innen. Mordfantasien und Aufrufe zur Gewalt blieben zu oft ohne jegliche Konsequenzen.
"Extremisten und Terroristen gehen nicht in den Lockdown"
Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, bestätigte, extremistische Aktivitäten hätten 2020 zugenommen. "Extremisten und Terroristen gehen nicht in den Lockdown", sagte er. Deren gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Aktivitäten seien in die virtuelle Welt verlegt worden.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte im April bekannt gegeben, Personen der "Querdenken"-Bewegung, die häufig Proteste gegen die Corona-Maßnahmen anmeldem, zu beobachten. Die Behörde richtete dafür eigens die Kategorie "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" ein. Begründet wurde der Schritt wegen der Beteiligung einschlägiger Extremisten bei der Bewegung sowie Verbindungen in die Szene der sogenannten Reichsbürger.