Dass der Brexit kommen würde, war irgendwann klar. Nur über die Auswirkungen herrschte lange Zeit Unsicherheit. Wie ist der Stand für die deutsche Wirtschaft nach 100 Tagen?
Kai-Arne Schmidt ist Inhaber von Kutterfisch in Cuxhaven. Noch ist nicht alles bis ins Detail geregelt, aber Schmidt rechnet jetzt - 100 Tage nach dem Brexit - wegen der veränderten Fischerei-Zonen und wegen Quotenverlusten mit rund fünf Millionen Euro weniger pro Jahr. Das sind rund 25 Prozent seiner Einnahmen. Er resümiert:
Zehn Schiffe hat Kutterschiff. "Ein bis zwei werden wir wohl abwracken müssen. Dazu wird auch unsere Fischverarbeitung kleiner werden müssen - weniger Fang, weniger Verarbeitung", erklärt Schmidt. Um Entlassungen wird er nicht herumkommen.
Gewinner und Verlierer nach 100 Tagen Brexit
Damit dürfte er in der Branche nicht allein sein, rund 90 Millionen Euro pro Jahr wird die Deutsche Fischerei nach dem Brexit an Einbußen haben, schätzt Schmidt grob. So zählen die Fischer in Deutschland zu den Brexit-Verlierern. Wobei es in diesem Gewerbe keine Gewinner gibt, wie Schmidt ergänzt.
Die Gewinner des Austritts aus der Europäischen Union muss man woanders suchen, etwa bei Stiebel Eltron aus dem niedersächsischen Holzminden, den Älteren vor allem wegen der Heißwasserboiler ein Begriff. "Anfangs gab es Probleme mit der Materialversorgung, denn unsere Lager in England liefen leer und der Nachschub stockte kurzfristig", berichtet Geschäftsführer Nicolas Matten.
Deutsche Profiteure von Johnsons Klimaschutz-Zielen
Am schlimmsten sei aber, dass EU-Standards nicht mehr anerkannt würden, obwohl technische Veränderungen der Geräte gar nicht notwendig seien. Trotzdem müsse alles neu klassifiziert werden. Das befürchtete Matten schon lange.
Doch wirklich meckern können sie nicht bei Stiebel Eltron. Der kurzfristigen Delle folgte ein Wachstum von 40 Prozent im Geschäft mit Großbritannien, bei den Wärmepumpen gab es sogar 100 Prozent mehr Umsatz. Daran hat der ansonsten wenig gemochte Premier Boris Johnson direkten Anteil. "Johnson setzt auf Klimaschutz, wir haben die Produkte", sagt Matten.
- "Brexit is done" - und jetzt?
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Kritik an schlechter Vorbereitung der Briten
Erwartungsgemäß lief es für die Uplegger Group aus Langenhagen bei Hannover, die unter anderem gekühlte Lebensmittel aus England importiert. "Der Brexit ist für uns eigentlich gar nicht so schlimm. Aber die Engländer sind zu blöd, es auf die Reihe zu kriegen", sagt der sich sonst höflich ausdrückende Familienunternehmer Kay Uplegger.
Er kritisiert die schlechte Vorbereitung der Briten bei der Warenlieferung:
Wegen der Lieferverzögerungen hat Uplegger zwei bis drei Millionen Euro an Umsatz verloren, dazu Reputation. Denn seine Kunden warteten auf seine Ware.
Dass es nicht an ihm lag, interessiert nicht. Der Endkunde muss für Upleggers Waren übrigens keinen Cent mehr bezahlen. Stattdessen haben die englischen Unternehmen Einbußen. "Es wird noch ein bisschen dauern, bis sich das alles einruckelt", sieht Uplegger aber positiv in die Zukunft.
Vor einem Jahr haben die Briten die EU verlassen, um unabhängig zu werden. Bis Ende 2020 hat es dann gedauert, bis ein Handelsvertrag mit der EU abgeschlossen wurde. Nicht alle sind glücklich über den Austritt.
Großbritannien verliert an Bedeutung als Handelspartner
Der Brexit trifft die Branchen sehr unterschiedlich, grundsätzlich verliert Großbritannien aber als Handelspartner für die deutsche Wirtschaft an Bedeutung, ist von Analysten zu hören.
Nach aktuellen Berechnungen der EU-Kommission führt der Austritt der Briten beim Bruttoinlandsprodukt der EU bis Ende 2022 zu einem Minus von gerade einmal 0,5 Prozent. Im Vereinigten Königreich sinkt die Wirtschaftskraft dagegen um 2,25 Prozent.