9-Euro-Ticket-Nachfolger: Was das wem bringen könnte
FAQ
Ticket zwischen 49 und 69 Euro:Wer profitiert vom 9-Euro-Ticket-Nachfolger?
05.09.2022 | 16:17
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Das beliebte 9-Euro-Ticket ist Geschichte - nun soll ein Nachfolger kommen. Wer davon wie profitieren könnte. Ein Überblick.
9-Euro-Ticket
Quelle: Markus Scholz/dpa
Tarifzonen, Ringe, Wochentage, nach 9 Uhr, mit Kind, ohne Fahrrad, älter als 65, und so weiter und so fort. Der Fahrkartenkauf für Bus und Bahn ist manchmal eine Knobelaufgabe. Im Sommer war das dank der pauschalen 9-Euro-Tickets alles egal - doch die beliebten Sondertickets sind jetzt passé.
Ein Nachfolger hat es aber ins Entlastungspaket der Ampel-Koalition geschafft: ein einfaches, bundesweites Ticket als Dauerangebot. Der Bund will dafür jährlich 1,5 Milliarden Euro extra locker machen, wenn die Länder das Gleiche drauflegen. Viele Fragen sind noch offen. Der Preis wird höher sein, Ziel sind zwischen 49 und 69 Euro.
Was könnte ein Nachfolge-Ticket für Stammkunden bringen?
Ob sich die Monatskarte für 49 bis 69 Euro für Stammkunden rechnet, hängt von Ort und Fahrtstrecke ab. Wer nur innerhalb seiner eigenen Stadt unterwegs ist, den erwartet ein mehr oder weniger großer Rabatt. In Berlin etwa kostet die Monatskarte 86 Euro.
Wer regelmäßig fährt und sie im Abo bucht, ist aber mit gut 63 Euro im Monat schon jetzt unter Umständen günstiger dran als mit dem geplanten Ticket. In Frankfurt dagegen kostet das Abo in der günstigsten Variante bereits rund 77 Euro, in Paderborn hingegen nur etwa 55 Euro.
Klarer ist die Sache für Menschen, die aus dem Umland in Innenstädte pendeln. Für sie lohnt sich das geplante Angebot in den allermeisten Fällen. Denn bisher galt bei den Tarifen: Je weiter, desto teurer. Wer etwa die 50 Kilometer zwischen Lüneburg und Hamburg pendelt, zahlt im Abo mindestens rund 187 Euro im Monat.
Kommt der Einheitspreis, dann gilt: je weiter, desto größer die Ersparnis. Wann soll das Ticket kommen?
Unser Ziel sollte sein, spätestens zu Beginn des Jahres 2023 ein neues Ticket zu haben.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing will eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket finden. Bis es Details vor allem zum Preis gibt, könnte es aber noch bis zum Herbst dauern.
Was könnte ein Nachfolge-Ticket für Auto-Pendler bringen?
Viele haben sich daran gewöhnt: allmorgendlich Stau, Nervenprobe auf Einfallstraßen der Großstadt. Ein neues, dauerhaft günstiges Ticket für Busse und Bahnen könnte da manche ins Grübeln bringen - und vielleicht zum Umstieg bewegen.
Jedoch: Bus- und Bahnfahren ist in den meisten Fällen schon jetzt günstiger als ein eigenes Auto. Denn dieses schlägt jeden Monat mit mehreren hundert Euro zu Buche. Viele fahren trotzdem Auto, der Preis ist für sie nicht das Hauptargument.
Was könnte ein Nachfolge-Ticket für Ausflügler bringen?
Das 9-Euro-Ticket hat sich vor allem an touristischen Zielen bemerkbar gemacht. Viele nutzten die Gelegenheit für günstige Ausflüge. Das dürfte sich bei einer Nachfolgelösung für 49 bis 69 Euro ändern.
Denn für gelegentliche Tagesausflüge, gerade mit mehreren Reisenden, sind häufig die bestehenden Länder-Tickets der Bahn oder das bundesweite Quer-durchs-Land-Ticket günstiger.
Was könnte ein Nachfolge-Ticket für Dorfbewohner bringen?
Wenn in der Nähe selten Busse oder Züge halten, bringt auch die günstigste Fahrkarte nicht viel - so wie in vielen Dörfern. An mehr als jeder dritten Haltestelle in Deutschland kann man nach Berechnungen der Bahn-Tochter Ioki nicht mal einmal pro Stunde in die eine oder die andere Richtung fahren.
Auch der Autofahrerclub ADAC mahnt an, weiterhin Lücken im öffentlichen Angebot zu schließen. Es müsse nicht nur Geld für günstigere Fahrkarten geben, sondern auch für mehr Busse und Bahnen, heißt es beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).
Was könnte ein Nachfolge-Ticket für Familien bringen?
"Es fehlt die Familienkomponente", kritisiert Karl-Peter Naumann, der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn. Denn eine kostenfreie Kindermitnahme wie beim Vorbild 9-Euro-Ticket ist bisher jedenfalls nicht angekündigt. Das werde manche davon abhalten, auf Bus und Bahn umzusteigen. "Für den Autofahrer macht es bei den Kosten aber keinen Unterschied, ob er seine Kinder mitnimmt."
Mit großem Tamtam kündigte Berlin eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket an, ab Oktober. Doch die Details sind noch nicht geklärt. Das ganze Vorhaben droht noch zu scheitern.
von Dominik Rzepka
Was könnte ein Nachfolge-Ticket für Fernreisende und Fernpendler bringen?
Eine gute Stunde fährt der ICE morgens von Berlin nach Wolfsburg, eine Verbindung, die auch Berufspendler nutzen. Wollten sie das neue Ticket nutzen, müssten sie mehr als drei Stunden in Nahverkehrszügen verbringen - keine gute Alternative.
Das Gleiche gilt für Fernreisen durch Deutschland, sofern man nicht sehr viel Zeit hat. Doch wer viel Zeit hat, kann sich auch rechtzeitig Sparpreis-Tickets für den Fernverkehr ab 17,90 Euro sichern und mit dem ICE fahren.
Die Eckpunkte des dritten Pakets
Privathaushalte sollen die Strommenge für einen Basisverbrauch zu einem vergünstigten Preis erhalten. Für kleine und mittlere Unternehmen mit Versorgertarif soll dies auch gelten. Finanziert werden soll die Preisbremse mit Einnahmen durch eine neue Erlösobergrenze für Energieunternehmen. Zudem sollen die beim Strompreis relevanten, voraussichtlich steigenden Netzentgelte damit bezuschusst werden.
Die am 1. Januar anstehende Erhöhung des CO2-Preises um fünf Euro pro Tonne wird um ein Jahr auf 2024 verschoben, auch die Folgeschritte sollen sich verschieben. Heute liegt der CO2-Preis bei 30 Euro pro Tonne.
Rentnerinnen und Rentner sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro von der Rentenversicherung erhalten. Sie waren bei der ersten Pauschale für Berufstätige leer ausgegangen. Wegen der Steuerpflichtigkeit wirkt die Pauschale bei niedriger Rente stärker.
Studierende und Berufsfachschülerinnen und -schüler sollen eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro erhalten. Der Bund will mit den Ländern eine schnelle Auszahlung beraten.
Ein weiterer Heizkostenzuschuss soll im Herbst an die Wohngeldbeziehenden gehen. Er beträgt einmalig 415 Euro für einen 1-Personen-Haushalt. Im Zuge der für Jahresbeginn geplanten Wohngeldreform soll er dann zur dauerhaften Komponente des Wohngelds werden. Zudem soll der Kreis der Wohngeldberechtigten auf zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger erweitert werden. Ende 2020 hatten laut Statistik-Amt 618.200 Haushalte Wohngeld bezogen.
Bedürftige sollen mit der für 1. Januar geplanten Weiterentwicklung des heutigen Hartz-IV-Systems zu einem Bürgergeld um 50 Euro höhere Regelsätze erhalten - etwa 500 Euro monatlich. Dies soll durch einen "Paradigmenwechsel" (Bundeskanzler Olaf Scholz) geschehen: Bei der Berechnung der Sätze soll künftig schon die zu erwartende Inflation im Jahr der Anpassung berücksichtigt werden - bisher wurden nur zurückliegende Werte angesetzt.
Beschäftigung knapp über der Mini-Job-Schwelle mit geringeren Sozialbeiträgen soll erleichtert werden. Die sogenannten Midi-Jobs sollen künftig monatlich bei bis zu einem Verdienst von 2.000 Euro liegen können.
48 Millionen Bürgerinnen und Bürger sollen bei der Steuer entlastet werden. Dazu soll an Stellschrauben des Einkommensteuertarifs gedreht werden. Steuererhöhungen infolge der Inflation sollen verhindert werden. Denn durch die sogenannte Kalte Progression droht vielen Menschen unter anderem, dass ihre Kaufkraft sinkt.
Es soll zum 1. Januar um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind angehoben werden. Die Erhöhung soll für 2023/2024 gelten. Heute beträgt das Kindergeld jeweils 219 Euro für das erste und zweite Kind. Beim Kinderzuschlag für Familien mit niedrigem Einkommen soll der Höchstbetrag ab 1. Januar auf 250 Euro monatlich steigen.
Der Bund bietet Arbeitgebern und Beschäftigten an, dass er auf Steuern und Abgaben verzichtet, wenn Unternehmen zusätzliche Zahlungen an ihre Beschäftigten bis zu 3.000 Euro leisten.
Energieintensive Unternehmen, die Kostensteigerungen nicht weitergeben können, sollen mit einem neuen Programm unterstützt werden. Der Spitzenausgleich bei den Strom- und Energiesteuern soll um ein weiteres Jahr verlängert werden. Bestehende Unternehmenshilfen - unter anderem mit zinsgünstigen Krediten und erweiterten Bürgschaften - sollen bis 31. Dezember verlängert werden. Geprüft werden Schritte für Unternehmen, die aufgrund von Gasmangel und hoher Energiepreise die Produktion temporär einstellen müssen.
Nach dem 9-Euro-Ticket soll ein Nahverkehrsticket eingeführt werden - bundesweit nutzbar, digital buchbar, als Abo-Ticket. Preis: 49 bis 69 Euro. Der Bund will 1,5 Milliarden Euro dafür zuschießen, wenn die Länder mindestens ebenso viel zahlen.
Ein wegen des Corona-Abschwungs eingeführter erleichterter Zugang zur Kurzarbeit soll verlängert werden - ebenso die Absenkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf sieben Prozent. Mieterinnen und Mieter sollen gegebenenfalls vor einer Überforderung durch steigende Nebenkostenvorauszahlungen geschützt werden. Strom- und Gassperren sollen vermieden werden.
Steuerzahler sollen ab 1. Januar ihre Rentenbeiträge voll absetzen können; Renten sollen künftig in der Auszahlungsphase besteuert werden. Mit einer Senkung der Umsatzsteuer auf Gas zum 1. Oktober auf sieben Prozent soll die Gasumlage ausgeglichen werden. Die bis Ende 2022 verlängerte Homeoffice-Pauschale soll entfristet und verbessert werden.
Finanzpoker zwischen Bund und Ländern: Wer zahlt wie viel?
Damit das neue Ticket überhaupt kommt, sollen die Länder mit an Bord. Schon bisher ringen sie hart mit dem Bund um einen Nachschlag bei den normalen Regionalisierungsmitteln, mit denen sie Leistungen bei den Verkehrsanbietern bestellen.
Regulär kommen aus Berlin in diesem Jahr schon 9,4 Milliarden Euro, dazu eine Milliarde aus einem anderen Topf. Akuter Handlungsbedarf besteht wegen gestiegener Betriebskosten bei Bussen und Bahnen. Es beginnt also das große Rechnen. Nächster Halt ist ein Sondertreffen der Länder mit Wissing am 19. September.