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Interview

Agrarexpertin zu Kriegsfolgen : "Dramatischer Angebotseinbruch" beim Getreide

Datum:

Russland und die Ukraine sind Hauptlieferanten von Getreide. Doch mit Kriegsbeginn ist der Export nahezu zum Erliegen gekommen, sagt Agrarexpertin Götz - und erläutert die Folgen.

Weizenähren stehen auf einem Feld. Archivbild
Russland exportiert weltweit den meisten Weizen.
Quelle: dpa

ZDFheute: Frau Götz, warum sind Russland und die Ukraine so wichtig für den Getreidemarkt?

Linde Götz: Russland exportiert weltweit den meisten Weizen und die Ukraine ist der drittgrößte Exporteur von Mais. In der EU kommen nahezu 60 Prozent der gesamten Mais- und Gerstenimporte aus der Ukraine, beim Sonnenblumenöl sind es sogar fast 90 Prozent.

ZDFheute: Wie hat sich der Krieg bislang auf die Getreideexporte aus Russland und der Ukraine ausgewirkt?

Götz: Mit dem Kriegsbeginn ist der gesamte Agrarexport aus der Ukraine zum Erliegen gekommen. Und auch die Exporte aus Russland haben sich reduziert, da die russischen Häfen im Asowschen Meer wegen der Nähe zum aktuellen Kriegsgeschehen geschlossen sind.

Wir beobachten einen dramatischen Angebotseinbruch, den wir so noch nicht erlebt haben. Der Weizen, der jetzt nicht auf Schiffe verladen werden kann, fehlt auf den Tellern der Menschen in den einkommensschwachen Importländern.
Linde Götz, Agrarexpertin

Daher sollte der Agrarhandel unbedingt von den Sanktionen ausgenommen bleiben. Und das verknappte Angebot führt schon jetzt dazu, dass die Weltmarktpreise deutlich ansteigen.

ZDFheute: Welche Folgen haben diese Preisanstiege bei Getreide?

Götz: In der EU wiegen die höheren Getreidepreise nicht so schwer wie in Entwicklungsländern wie Ägypten, Sudan, Libanon, Jemen, Tunesien oder Bangladesch.

Dort geben die Menschen einen viel höheren Anteil ihres Gehalts für Nahrung aus und wir laufen ernsthaft Gefahr, dass viele Menschen in Armut geraten und sich Unterernährung zunehmend verbreitet. Daher sollten Nahrungsmittel unbedingt von den Sanktionen ausgenommen bleiben.

ZDFheute: Was droht uns, wenn sich die Lage in der Ukraine nicht stabilisiert?

Götz: Jetzt im März müsste in der Ukraine Sommergetreide und Mais ausgesät werden, und es ist derzeit fraglich, ob das überhaupt möglich ist. In der Ukraine gibt es Kriegsschäden, von Straßen, Gleisen und Häfen. Viele Männer sind im Krieg und können sich nicht um die Felder kümmern.

Im Augenblick wird das Getreide der letztjährigen Ernte aus den Lagern verkauft. Die entscheidende Frage wird sein, wie groß die Ernte in der Ukraine und in Russland im kommenden Sommer ist und wie viel davon den Weltmarkt erreichen wird.

Derzeit ist davon auszugehen, dass der Angebotseinbruch im Herbst weitaus größer ist und daher weitere weltweite Preisanstiege auf Agrar- und Nahrungsmittelmärkten zu erwarten sind.
Linde Götz, Agrarexpertin
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ZDFheute: Russland ist nicht nur wichtiger Getreidelieferant für die Welt, sondern produziert auch Grundstoffe für Dünger - wie abhängig ist Deutschland von Russland?

Götz: Deutschland ist hochgradig importabhängig und hat bisher ungefähr 35 Prozent seines Stickstoffdüngers und 60 Prozent seines Kalidüngers aus Russland und Belarus importiert. Hinzu kommt, dass für die Herstellung Erdgas benötigt wird. Derzeit wird überall das Düngemittel knapp, da infolge hoher Gaspreise und damit hoher Produktionskosten die Herstellung von Düngemitteln gedrosselt wurde.

Es sei nicht leicht, russisches Gas zu ersetzen, sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert. Aber es sei möglich. Man müsse schnell von fossiler Energie wegkommen.

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2 min
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Doch wegen der stark angestiegenen Agrarpreise war auch eine teure Düngung für die Landwirte rentabel und die Lager wurden leergekauft. Hinzu kommt, dass der Export von Kalidünger aus Belarus von der EU letztes Jahr sanktioniert wurde und Russland seit Ende letzten Jahres Exporte von Düngemitteln reduziert. Das sorgt für steigende Preise und höhere Kosten auch für Landwirte in Deutschland. Es ist eben nicht nur der Energiesektor bei dem Russland uns in der Hand hat, sondern auch die Agrar- und Düngemittelexporte.

Das kann Russland politisch nutzen und das ist wirklich problematisch.
Linde Götz, Agrarexpertin

ZDFheute: Wie könnte die Abhängigkeit von Russland reduziert werden?

Götz: Um die Ernährungssicherheit zu verbessern, müssen wir Risiken reduzieren. Also etwa Produkte aus verschiedenen Regionen importieren, um sich so gegen Dürren oder Kriege in einzelnen Ländern abzusichern. Der Grund dafür, dass so viele Länder Getreide von Russland und der Ukraine importieren, liegt natürlich darin, dass diese so günstig produzieren und die Weltmärkte zu relativ niedrigen Preisen beliefern.

Aber unsere Systeme resilienter gegen solche Krisen zu machen, kostet etwas. Ernährungssicherheit ist nichts, was umsonst zu haben ist - das werden die Verbraucher rund um den Globus spüren.

Das Interview führten Karen Grass und David Metzmacher.

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