Abhängigkeit und Einfluss: Apples China-Problem

    Abhängigkeit und Einfluss:Apples China-Problem

    von Miriam Steimer, China
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    Proteste in der größten iPhone-Fabrik, Einschränkung der Airdrop-Funktion: Immer wieder ist Apple in China in den Schlagzeilen. Chinas Führung nutzt die Marktmacht wohl politisch.

    Leute schauen sich i-Phone 14-Modelle in einem Apple Store in Peking an
    Apple und China: US-Konzern im Dilemma.
    Quelle: epa

    "Ich war ein bisschen aufgeregt. In der U-Bahn schaute ich, wer die Airdrop-Funktion auf seinem Handy geöffnet hatte und schickte den Flyer weiter. Die meisten nahmen meine Anfrage an."
    Bing, wie er sich selbst nennt, läuft durch Peking, während er mit uns telefoniert, wir hören im Hintergrund Stimmen und Straßenlärm. Er bleibt in Bewegung, weil er Angst hat, dass das Gespräch mitgehört wird und ihm Konsequenzen drohen.

    Digitaler Flyer als Corona-Protest

    "Wir wollen keine Corona-Tests, wir wollen Freiheit." Das steht zum Beispiel auf dem Flyer, den er verschickt hat. Es sind die Botschaften des sogenannten "Brücken-Manns". Sie drücken den Unmut über die Null-Covid-Politik des chinesischen Staates aus, der bis zu dieser Woche mit extremen Maßnahmen wie harten Lockdowns und Massentests versucht hat, jeden einzelnen Corona-Ausbruch zu bekämpfen.

    Apple-Update schaltet Airdrop aus

    Mit Airdrop lassen sich Fotos und andere Daten direkt von Smartphone zu Smartphone senden, ohne Internetverbindung. In China ist das ein wichtiges Instrument, um die staatliche Zensur zu umgehen. Die Proteste gegen die strikten Corona-Maßnahmen Ende November, die größten, die China seit Jahrzehnten erlebt hat, und die dazu beigetragen haben, dass die Staatsführung die Regeln gelockert hat, mussten ohne Airdrop auskommen.
    Denn: Ein Apple-Update von Anfang November schränkte die Funktion ein. Auf allen Geräten, die auf dem chinesischen Festland gekauft wurden, schaltet sich Airdrop jetzt nach zehn Minuten von selbst aus. Angeblich soll das ab nächstem Jahr weltweit Standard werden.
    Dass die Beschränkung zunächst nur für chinesische Nutzerinnen und Nutzer eingeführt wird, ist ein seltsamer Zufall. "Leider ist es nicht überraschend, dass Apple solche Funktionen in heiklen Momenten ausschaltet", sagt Charles Rollet, Analyst der Überwachungsforschungsgruppe IPVM.

    Ein großer Teil von Apples' Einnahmen hängt von den Verkäufen in China ab. Wenn es also hart auf hart kommt, wird Apple kein Sprachrohr für Demonstranten sein.

    Charles Rollet, Analyst IPVM

    Ausschreitungen bei Foxconn nach Corona-Ausbrüchen

    Noch größer waren die Apple-Schlagzeilen ein paar Wochen vorher, als es in der weltweit größten iPhone-Fabrik beim Apple-Zulieferer Foxconn in Zhengzhou zu gewaltsamen Ausschreitungen kam. "Verteidigt unsere Rechte!" Das riefen Arbeiter in Videos, die in den sozialen Netzwerken verbreitet und im chinesischen Netz schnell zensiert wurden.
    Es war auf dem Fabriksgelände zu Corona-Ausbrüchen gekommen, positive Fälle wurden in den Werksunterkünften isoliert, die Produktion lief weiter. Es gab Bilder von katastrophalen Zuständen. Die Arbeiter protestierten auch, weil versprochene Corona-Boni nicht gezahlt wurden. Brutal gingen Polizei und Menschen in Corona-Schutzanzügen gegen sie vor.

    Rund die Hälfte aller iPhones aus einer Fabrik

    Erschreckende Bilder aus einer Fabrik, in der bis zu 300.000 Menschen etwa die Hälfte aller iPhones weltweit produzieren. Durch die Produktionsprobleme im Zuge der Pandemie sei der Umsatz im November um 11,4 Prozent gefallen, verkündete Foxconn.
    Laut eines Berichts des "Wall Street Journal" soll auch ein Brief des Foxconn-Gründers an die chinesische Führung eine wichtige Rolle bei der Entscheidung gespielt haben, die Corona-Regeln zu lockern. Er soll darin die Folgen der Corona-Politik für die chinesische Wirtschaft beschrieben haben und die Bedrohung für die globalen Lieferketten.
    Demonstranten und Sicherheitspersonal in weißer Schutzkleidung auf dem Fabrikgelände der Foxconn Technology Group an
    Demonstranten und Sicherheitspersonal in weißer Schutzkleidung auf dem Fabrikgelände von Foxconn.
    Quelle: ap

    Apple hängt von chinesischer Produktion ab

    "Die chinesischen Fabriken sind unglaublich wichtig für Apple", sagt Analyst Rollet. Wenn es um den Einfluss der chinesischen Führung gehe, hätten sie nicht wirklich eine Wahl. "Aber das ist natürlich eine Position, in die sie sich selbst gebracht haben."
    Gerade hat Apple angekündigt, die iCloud-Daten seiner Nutzerinnen und Nutzer künftig durch eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung besser vor fremdem Zugriff zu schützen. Der Dienst solle zunächst in den USA zur Verfügung stehen, 2023 dann weltweit, auch in China. Dass Chinas Staats- und Parteiführung das akzeptieren wird, ist sehr unwahrscheinlich.
    Digitale Dissidenten
    Staatliche Überwachung und Zensur: Das Internet ist zum Kampfplatz um die Wahrheit geworden. Mutig lehnen sich digitale Rebellen auf gegen die Mächtigen in autokratischen Staaten.22.06.2022 | 28:20 min

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