Seit Monaten verabschiedet der Westen ein Sanktionspaket nach dem anderen, um Russland zu schaden. Ob es was bringt? Das zeigt ein Blick auf vier Lebensbereiche.
Russland ist das meistsanktionierte Land der Welt. Dazu kommt: Immer mehr westliche Unternehmen ziehen sich freiwillig aus dem Land zurück. Sie liefern nicht mehr nach Russland oder haben ihre Werke dort stillgelegt.
Das betrifft inzwischen mehr als 1.000 Firmen, wie aus einer Liste der "Yale School of Management" hervorgeht. Das spüren immer mehr Russen und Russinnen in ihrem Alltag.
Weniger Busse auf Russlands Straßen
Die Automobilbranche ist mit am stärksten von den westlichen Sanktionen betroffen. Deutsche, französische und japanische Hersteller haben ihre Werke geschlossen.
Neun Monate nach Kriegsbeginn in der Ukraine haben Unternehmen in vielen Staaten ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland beendet – und kommen dadurch in finanzielle Not..
Und russischen Autobauern fehlen Teile aus dem Ausland. Das sieht man auf den Straßen - auch im Öffentlichen Nahverkehr. So mussten in diesem Jahr knapp 200 Buslinien gestrichen werden, weil Busse nicht nachgerüstet werden konnten.
Auch der Zugverkehr ist betroffen. Weil Siemens nicht mehr nach Russland liefert, muss etwa die Strecke zwischen Moskau und St. Petersburg ohne neue Hochgeschwindigkeitszüge auskommen.
Russland fehlen Technologien
Michael Rochlitz, Professor für Volkswirtschaftslehre und Experte für russische Wirtschaft, sagt, Russland habe sich viel zu lange auf seine Ressourcen verlassen - und es verpasst, sich von Öl- und Gasexporten unabhängig zu machen.
"Man hat Rohstoffe exportiert und alles andere eingekauft. Jetzt fallen 50, 60 Prozent der Lieferanten weg," so Rochlitz weiter.
Die Sanktionen gegen Russland zeigen offenbar Wirkung. Das gibt Präsident Putin zumindest teilweise zu und spricht von einem „Sanktionsfieber des Westens“.
Keine Ersatzteile für die Luftfahrt
Das räche sich auch in der Luftfahrt. Die russischen Fluggesellschaften bekommen von Boeing oder Airbus keine Ersatzteile mehr. Dazu kommt: Weil Flüge etwa nach Europa oder in die USA gestrichen wurden, verloren viele Piloten ihre Jobs.
"Bei Boeing und Airbus wird unter modernsten Bedingungen geforscht, wie man Flugzeuge effizienter, besser und sicherer machen kann. Und es gibt keine technologischen, keine wissenschaftlichen Kapazitäten in Russland, um da auch nur irgendwie ranzukommen aus eigener Kraft," erläutert Wirtschaftsexperte Rochlitz.
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Seit Kurzem sind außerdem ihre Trainingsmöglichkeiten eingeschränkt: Die türkische Fluggesellschaft Turkish Airlines soll russischen Piloten die Verwendung ihrer Flugsimulations-Trainingsgeräte untersagt haben. Weil Turkish Airlines sekundäre Sanktionen der EU-Flugsicherheitsbehörde fürchtet.
Mobiles Internet wird langsamer
Die europäischen Telekommunikationsfirmen Nokia und Ericsson haben sich aus Russland zurückgezogen. Das bedeutet auch Probleme bei der Netzwerkversorgung: Schon jetzt ist Geschwindigkeit des mobilen LTE-Internets in Russland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um durchschnittlich 0,6 Megabit pro Sekunde gesunken. Das ermittelte die russische Informationsanalyseagentur Telecom Daily.
Rohöl aus Russland darf nur noch in Ausnahmefällen in die Europäische Union importiert werden. Grundlage der Einfuhrbeschränkung ist eine im Juni von den 27 Mitgliedstaaten beschlossene Sanktionsverordnung wegen des russischen Angriffskriegs.
Nokia und Ericsson stellen mehr als die Hälfte der drahtlosen Netzwerkausrüstung Russlands bereit. Die können im Moment nicht nachgerüstet werden - geschweige denn modernisiert. Ob China diese Lücke füllen kann? Rochlitz ist da skeptisch:
"Die haben Angst, dass, wenn sie Technologie nach Russland liefern, sie vielleicht auch mit Sanktionen belegt werden."
Leerstehende Geschäfte westlicher Unternehmen
Ikea, H&M, McDonalds - viele westliche Unternehmen haben sich auch aus Russland zurückgezogen. Nicht weil die Sanktionen es vorgeschrieben hätten, sondern weil der Druck, die russische Wirtschaft zu stützen, während das Land die Ukraine angreift, zu hoch wurde.
Die meisten westlichen Konzerne haben ihre Geschäfte mit Russland eingestellt. Viele westliche Produkte gibt es nicht mehr, die Preise sind gestiegen. Die Sanktionen beginnen zu wirken und in Moskau eröffnet eine russische Burgerkette.
Immer mehr Bürogebäude und Einkaufszentren stehen deshalb leer. Laut Daten des Immobilienberatungsunternehmens NF Group wird der Anteil leerer Flächen in Einkaufszentren in der Hauptstadt Moskau bis Ende des Jahres auf 17 Prozent geschätzt.
Nimmt man all diese Faktoren zusammen, lässt sich nach fast zehn Monaten sagen: Die russische Wirtschaft ist getroffen, die Sanktionen wirken. Das sei nur der Anfang, meint Volkswirtschaftler Rochlitz: "Putin hat dem Land die Zukunft gestohlen." Langfristig sei das für die russische Wirtschaft eine Katastrophe.
Nina Niebergall berichtet als ZDF-Korrespondentin über Russland.
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