Rezession und Konkurrenz: Autoland Deutschland in Gefahr?
Kampf um Marktanteile droht:Ist das Autoland Deutschland in Gefahr?
von Lothar Becker
18.10.2022 | 15:00
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Europas Autoindustrie steht trotz derzeit voller Auftragsbücher absehbar vor einer Rezession. Zeitgleich drängen chinesische Automobilhersteller auf hiesige Märkte.
Die Autobranche steuert auf eine Rezession zu. Kunden müssen oft monatelange Lieferfristen ertragen und reduzierte Rabatte und Zuschüsse schrecken vor dem Kauf von E-Autos zurück. Autobauer sind in Sorge.17.10.2022 | 1:53 min
Wer in diesen Tagen Bilder und Berichte vom Pariser Autosalon sieht, bekommt leicht den Eindruck, die Welt sei wieder in Ordnung. Nach einer Absage 2020 blitzt und blinkt es wieder, gibt es Weltpremieren und futuristische Studien zu bestaunen. Und doch ist die postpandemische Autowelt völlig anders als noch bei der letzten Ausgabe der "Mondial de l'automobile de Paris" im Jahr 2018.
Gefühlt "damals" - tatsächlich nur vor vier Jahren - strampelten sich die etablierten Autobauer vom Dieselgate frei, stellten erste Serien-Elektromodelle vor, während gleichzeitig mehr PS und Komfort bei Verbrennern die Herzen von Petrolheads höherschlagen ließen. Irgendwie schien die Autowelt damals wieder in Ordnung - oder zumindest auf dem Weg dorthin.
Chinas Autobranche kam mit Vorteilen aus der Pandemie
Tatsächlich zwangen nicht Feinstaubpartikel die Autoindustrie in die Knie, sondern das Virus. 2020 gab es Produktionsstops um die Infektion ganzer Belegschaften zu minimieren. Sie waren auch möglich, weil entscheidende Bauteile aus China nicht geliefert wurden und Fahrzeuge ohnehin nicht hätten fertiggestellt werden können. Niemand ahnte ernsthaft, dass dieser Zustand Jahre andauern würde und am Ende Chinas Autohersteller auf Bauteile zugreifen könnten, die in Europa weiterhin Mangelware sein würden.
Doch genau das ist der Fall und die Ausgangslage heute, wo chinesische Automarken wie Aiways oder NIO mit Fahrzeugen auf den deutschen Markt drängen, in einer guten Qualität zu Kampfpreisen, die in Wolfsburg, Ingolstadt, München und Stuttgart wahrgenommen werden dürfte - hoffentlich.
Experte: Auch andere Konkurrenten unterschätzt
"2021 war das allerschlechteste Autojahr, das wir in Deutschland seit der Wiedervereinigung hatten", sagt Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom CAR Institut - während sich der Markt in China bereits erholt hatte und sogar das Jahr 2019 übertraf.
"Den Vorteil eines sehr gut funktionierenden PKW-Marktes in China nutzen natürlich auch die chinesischen Hersteller, um jetzt mit ihren Produkten nach Europa zu kommen", so Felix Kuhnert, Leader Automotive bei PwC.
Wir haben in der Industrie anfangs auch andere Anbieter aus Nordamerika [Tesla, A.d.R.] unterschätzt.
Felix Kuhnert, Leader Automotive bei PwC
"Ich glaube, es ist an der Zeit, hier wachsam zu sein, Marktanteile zu verteidigen - auch weil es sehr kostenintensiv ist, die nachher wieder zurückzugewinnen", so Kuhnert weiter.
Chinas Automobile auf der Überholspur
Der Kampf um Marktanteile zeigt sich bereits: Die chinesischen Hersteller sind innovativ und produzieren günstig. In Tests schneiden ihre Modelle für den europäischen Markt durchweg gut ab. Der deutsche Autovermieter Sixt hat 100.000 Autos der chinesischen Marke BYD geordert. Das spricht für das Vertrauen in die Zuverlässigkeit "Made in China" sowohl, was die tatsächlichen Fahrzeuge als auch die Lieferfähigkeit angeht.
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Große teils internationale Autohändler bauen inzwischen weltweit Vertriebsstrukturen für China-Marken auf. Für 2030 geht Felix Kuhnert von PwC von Marktanteilen chinesischer Marken in Europa von 5 Prozent aus. "Sie könnten aber auch höher ausfallen, wenn Lieferengpässe deutsche und europäische Hersteller weiter bremsen."
Lange Wartezeiten für Autos in Deutschland
Wenn deutsche Autobauer im September ein 14-prozentiges Plus im Vergleich zum Vorjahresmonat verzeichnen, klingt das positiver als es ist. Jetzt werden aufgestockte Bestellungen ausgeliefert, die wegen fehlender Bauteile monatelang nicht geliefert werden konnten. Demgegenüber stehen Prof. Ferdinand Dudenhöffer zufolge Kunden, die nach monatelangem Warten von ihrer Bestellung zurückgetreten sind.
Der harte Kampf um Marktanteile spiegelt sich auch im Pariser Autosalon wider. Viele etablierte Marken aus Deutschland und Japan sind nicht mal auf der Messe vertreten. Die Lücke füllt die finanzstarke Konkurrenz aus China augenscheinlich gern.
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