Bertelsmann-Studie:Azubi-Mangel nicht wegen mehr Studierenden
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Der Mangel an Auszubildenden liegt laut einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung nicht an der gewachsenen Beliebtheit des Studiums. Die Studie deckt auch andere Irrglauben auf.
Zu wenig Azubis, weil zu viele studieren?
Quelle: dpa
Der derzeitige Mangel an Auszubildenden lässt sich einer Studie zufolge nicht allein mit einer wachsenden Beliebtheit des Studiums begründen. Die Probleme auf dem Ausbildungsmarkt hätten sich in den letzten fünf Jahren verschärft, in dieser Zeit habe es aber keinen weiteren Anstieg der Studierendenzahlen gegeben, erklärte die Bertelsmann-Stiftung. Sie will mit der Studie auch mit weiteren "Mythen" zu Ausbildung und Studium aufräumen.
Berufe mit größtem Azubi-Mangel nicht in Konkurrenz mit Studium
Zwischen 2011 und 2021 sank sowohl die Zahl der neuen Auszubildenden pro Jahr (von 733.000 auf 660.000) als auch die der neuen Studierenden (von 519.000 auf 470.000), so die Bertelsmann-Stiftung. Der demografische Rückgang betreffe also nicht nur die berufliche, sondern ebenso die akademische Ausbildung.
Hinzu komme: Keine der drei Berufsgruppen mit dem höchsten Anteil an unbesetzten Ausbildungsplätzen - Klempner, Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk und Fleischer - stehe in direkter Konkurrenz zu einem akademischen Studienangebot.
Kein wesentlicher Anstieg der Abiturientenquote
Auch der Glaube, dass inzwischen sowieso fast alle Schülerinnen und Schüler Abi machen, ist falsch: Zutreffend ist den Forschenden zufolge zwar, dass die Zahl verglichen mit den 60er-Jahren deutlich zugenommen hat - das allerdings sei als Reaktion auf internationale Kritik und Akademiker-Engpässe Anfang der 2000er Jahre zu verstehen gewesen. Nun sei aber seit zehn Jahren kein wesentlicher Anstieg der Studienberechtigtenquote mehr zu beobachten.
Andere verbreitete Annahmen sind laut der Studie der Bertelsmann-Stiftung und dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) ebenfalls falsch. Zum Beispiel, dass sich Jugendliche nach der Schule zwischen Studium und Ausbildung entscheiden müssten und der weitere berufliche Weg dann endgültig feststehe: "Dieser Irrglaube hält sich hartnäckig, stimmt aber einfach nicht", erklärte Ulrich Müller vom CHE.
In der nachschulischen Bildung gebe es zunehmende Übergänge - und zwar in beide Richtungen. "Es ist immer möglich, den eingeschlagenen Bildungsweg später an veränderte Zielvorstellungen anzupassen", betonten die Forschenden. Das Bildungssystem sei in den vergangenen Jahren flexibler und durchlässiger geworden.
Ausbildung kann auch zu hohen Löhnen führen
Auch beim Geld widersprechen die Forscherinnen und Forscher einer in ihren Augen weit verbreiteten Annahme: Die Aussage "Nur Akademiker:innen verdienen richtig gut" stimme in dieser Pauschalität nicht. Eine berufliche Ausbildung könne zu ähnlich hohen Löhnen führen.
Statistisch betrachtet verdient demnach ein Beschäftigter mit Studienabschluss im Durchschnitt zwar mehr als jemand mit Berufsausbildung - aber nicht mehr als jemand mit Fachschulabschluss, ein Meister oder ein Techniker.
DIHK: Weg zum Erfolg muss nicht über Studium führen
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) ergänzte, eine Ausbildung mit anschließender Weiterbildung schütze besser vor Arbeitslosigkeit als ein Studium. Es sei richtig, die beiden Berufswege nicht gegeneinander auszuspielen, betonte die DIHK. Wichtig bleibe es gleichzeitig, "dass noch mehr junge Menschen und deren Eltern erkennen, dass der Weg zum beruflichen Erfolg nicht zwingend über ein Studium führen muss".
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Gesamtgesellschaftlich sei es angesichts des Fachkräftemangels wichtig, junge Menschen bei der Wahl des passenden Berufs bestmöglich zu unterstützen. "Niemand darf beim Übergang von der Schule in den Beruf verloren gehen."
Quelle: AFP
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