Deutlich pünktlicher wollte die Bahn in diesem Jahr werden, doch daraus wird nichts, räumt Bahnchef Lutz ein. Zugleich kündigte er eine Generalsanierung wichtiger Strecken an.
Die Bahn wird ihr Pünktlichkeitsziel auch 2022 nicht erreichen. Bislang seien in diesem Jahr knapp über 70 Prozent der Fernzüge pünktlich gewesen, sagte Konzernchef Richard Lutz am Montag in Berlin. Man müsse kein Prophet sein, um zu sehen, dass die angestrebten 80 Prozent im Gesamtjahr nicht erreicht werden. Die Bahn werde "signifikant" darunter liegen.
Nach Bahn-Definition gelten Züge als pünktlich, die weniger als sechs Minuten nach Fahrplan ankommen. Im vergangenen Jahr waren 75 Prozent der ICE, Intercity und Eurocity pünktlich gewesen.
Bahnchef: Hohe Nachfrage trifft auf Sanierungsstau
Und eine Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Bahn sieht sich mit den wieder rasant steigenden Passagier- und Frachtzahlen überfordert und bereitet ihre Kunden auf mehr Verspätungen und Ausfälle vor. Die steigende Nachfrage - auch durch das 9-Euro-Ticket im Nahverkehr - treffe auf einen Rückstau bei den nötigen Investitionen ins Netz, warnte Bahnchef Lutz.
Die Betriebslage sei kritisch, die Verspätungen nähmen zu. "Noch nie gab es auf dem deutschen Streckennetz so viele Baustellen wie heute." Der Modernisierungsbedarf werde aber in den nächsten Jahren weiter steigen.
Lutz kündigte eine "Generalsanierung" wichtiger Streckenabschnitte an. Ziel sei der Aufbau eines "Hochleistungsnetzes". Besser sei eine große Sperrung statt vieler kleiner Sperrungen, sagte Lutz. In hoch belasteten Bahn-Korridoren sollten deshalb ab 2024 Bauvorhaben gebündelt abgearbeitet werden. Konkrete Vorhaben nannte Lutz noch nicht. Eckpunkte sollen demnach möglichst vor der Sommerpause vorgelegt werden.
„Neues Netz für Deutschland“ heißt das bisher größte Sanierungsprogramm der Deutschen Bahn. Der Bund stellt Milliardensummen zur Verfügung, denn viele Gleise und Bahnhöfe sind renovierungsbedürftig.
Gewerkschaft: Bahnkunden erwartet "Tal der Tränen"
Die angekündigte "Generalsanierung" wird aus Gewerkschaftssicht den Fahrgästen viel Geduld abverlangen. "Die Bahnverkehrsunternehmen und die Kunden werden durch ein Tal der Tränen gehen", sagte der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, Klaus-Dieter Hommel. "Es wird Jahre dauern, bis es besser wird. Aber die Kunden werden das honorieren, weil die Situation auf der Straße auch nicht besser wird und sie umweltbewusst sind", bemerkte Hommel, der auch Vizechef des Bahn-Aufsichtsrats ist.
Hommel nannte die Ankündigung richtig und notwendig. Er fügte hinzu: "Die Überalterung und Kapazitätsprobleme sind selbst verursacht. Man hat die Instandhaltung sträflich vernachlässigt." Das betreffe nicht nur Nebenstrecken, sondern das 3.500 Kilometer lange Kernnetz, das die Hauptlast des Bahnverkehrs trägt.
Ziele wie die Verdoppelung der Fahrgastzahl und der einheitliche Fahrplantakt für Deutschland seien damit unrealistisch.