Mit Belèn Garijo steht erstmals eine Frau allein an der Spitze eines Dax-Konzerns. Beim Pharma-Riesen Merck möchte sie auch ein Zeichen für Frauen in Führungspositionen setzen.
Der mit 350 Jahren älteste Pharma-Konzern der Welt schreibt ein Stück Wirtschaftsgeschichte: Mit dem Antritt von Belèn Garijo als Vorstandsvorsitzende am 1. Mai hat nun erstmals eine Frau die alleinige Führung eines Dax-Unternehmens inne. Denn außer der Amerikanerin Jennifer Morgan, die eine kurze Episode als Co-Chefin von SAP vorzuweisen hat, ist die Spanierin die erste Vorstandschefin in der über 30-jährigen Geschichte des wichtigsten deutschen Aktienindex.
Sie wäre beinahe Ärztin geworden
Dabei ist es fast dem Zufall geschuldet, dass die 60-Jährige nun überhaupt diesen Karriereschritt vollziehen konnte, denn ursprünglich wollte sie Ärztin werden. Doch nach dem Studium gab es im noch von der Franco-Diktatur gezeichneten Spanien einfach zu wenige Arzt-Stellen. Garijo sattelte kurzerhand um und startete ihre Karriere in der Pharmakologie eines Krankenhauses in Madrid. Der erste Schritt in die Pharma-Welt, dem viele erfolgreiche folgten.
Nach Stationen beim US-Konzern Abbott und Sanofi in Paris, stieß sie vor 10 Jahren zu Merck. Hier ging alles ganz schnell. Nach Stefan Oschmanns Berufung an die Konzernspitze, wurde sie seine Nachfolgerin an der Spitze der Pharmasparte. Nun folgt sie ihm sozusagen ein zweites Mal und wird Chefin des gesamten Konzerns.
Frauenquote für Vorstände in großen Unternehmen - das hat das Kabinett jetzt beschlossen. Doch mit der Frauenquote ist es auch in der Politik nicht weit her, sagt unsere Hauptstadtkorrespondentin Andrea Maurer.
Verbindlich, freundlich, hartnäckig
Zielstrebig und hartnäckig hat sie ihr Ziel erreicht. Genauso wie damals, als sie darum kämpfte überhaupt einen Studienplatz für Medizin zu bekommen. Zwei Monate streikte sie damals mit einigen anderen auf dem Uni-Campus dafür. Dann hatte sie ihn. So ähnlich präsentierte sie sich bisher bei Merck.
Sie hielt beispielsweise eisern an einem Mittel gegen Multiple Sklerose fest, das bereits bei der europäischen Arzneimittelaufsicht EMA durchgefallen war. Doch Garijo ließ nicht locker, entwickelte es weiter, bis sie die Zulassung bekam. Heute ist das Medikament Mavenclad, mit 500 Millionen Euro pro Jahr, einer der Umsatzbringer des Konzerns.
Deutschlands bestbezahlte Managerin
Belèn Garijo trägt nun die Verantwortung für über 58.000 Mitarbeiter weltweit und wird künftig 6,3 Millionen Euro verdienen. Damit ist sie die Spitzenverdienerin unter Deutschlands Managerinnen. Allerdings bleibt sie mit diesem Gehalt unter dem Durchschnitt in den Dax-Führungsetagen, der bei etwas über 8 Millionen Euro pro Jahr liegt.
Doch mit Sicherheit ist ihr Gehalt, wie bei den meisten Vorständen, auch vom Erfolg abhängig. Und da bietet sich ein weites Betätigungsfeld für die Spanierin. Denn sie muss nun zeigen, dass sie auch die anderen Geschäftsfelder von Merck genauso führen kann wie die Pharmasparte.
Traditionelle Rollenbilder im Wandel - Teil 1 der Dokureihe
Gemischtwarenladen Merck ist Herausforderung
Mit den Sparten Laborausrüstung und Halbleiter- und Displayelektronik sind die Darmstädter nämlich ein ziemlicher Gemischtwarenladen, der gleichzeitig an vielen Fronten unterwegs ist. Merck hatte in den vergangenen Jahren in allen Bereichen großen Erfolg und wurde an der Börse dafür gefeiert. Die Medizinerin Garijo, die ihr Berufsleben im Pharmabereich verbracht hat, betritt damit Neuland.
Wie sie sich in ihrer neuen Position schlägt, hat Signalwirkung: Denn im Augenblick ist sie eine Exotin. Nur 11,5 Prozent der Vorstände im Dax, M-Dax und S-Dax sind weiblich. Für Garijo ist dies kaum zu glauben. Frauen sind für sie die "größte Quelle ungenutzter Talente in der Gesellschaft." Sie hofft deshalb sehr, dass sie nicht die letzte und nicht die einzige Vorstandschefin eines Dax-Konzerns bleiben wird. Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer, dass dann Artikel wie diese endlich der Vergangenheit angehören würden.
- Kabinett beschließt Frauenquote für Vorstände
Was bei Aufsichträten schon gilt, soll nun auch in Vorständen eingeführt werden: Eine verbindliche Frauenquote. Dafür hat sich das Kabinett heute ausgesprochen.