Umweltbundesamt sieht "Betrugsgeflecht" bei Klimaprojekten
Klimaschutzprojekte in China:Umweltbundesamt-Chef sieht "Betrugsgeflecht"
von Hans Koberstein, Marta Orosz
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Im Mai hatte ZDF frontal vorgetäuschte Klimaschutzprojekte in China aufgedeckt. Der Chef des verantwortlichen Umweltbundesamts bestätigt nun Betrugsverdacht in Dutzenden Fällen.
Skandal um Klimazertifikate aus China: Umweltbundesamt sieht "Betrugsgeflecht". (Symbolbild)
Quelle: dpa/Jonas Walzberg
Das Umweltbundesamt (UBA) stand wegen Betrugsvorwürfen um Klimaschutzprojekte in China immer mehr unter Druck. In den vergangenen Jahren hatte die Behörde Genehmigungen für 66 Projekte in China ausgestellt, die nach Recherchen von ZDF frontal im Zentrum des bislang größten Klimaschutz-Skandals in Deutschland stehen.
Nach den ersten Enthüllungen im Mai schaltete das UBA eine externe Anwaltskanzlei ein und stellte am Montag erste Ermittlungsergebnisse vor. UBA-Präsident Dirk Messner sagte dazu gegenüber ZDF frontal:
UBA-Chef: Großteil aller untersuchten Projekte seien fingiert
Es gebe "sehr starke Argumente", dass es sich bei vielen Klimaprojekten um ein "Täuschungssystem" handele, sagte Messner. 56 Projekte habe man untersucht. "Für 45 Projekte von den 56 kommen wir zu dem Ergebnis, sie sind Teil eines Schattensystems." Bei diesen handle es sich um "keine realen, sondern fingierte Projekte", die in der Realität zu keiner Treibhausgasreduzierung führten. "Unser Ziel ist, diese Projekte rückabzuwickeln", sagte der Behördenchef.
Mit Klimaschutzprojekten in China können Mineralöl-Konzerne in Deutschland ihre gesetzlich vorgegebenen Klimaziele erreichen. Doch viele davon existieren nur auf dem Papier.28.05.2024 | 10:36 min
Bei dem Betrugsskandal geht es um sogenannte Upstream-Emission-Reduction (UER) Projekte, die CO2-Einsparungen erzielen sollten. Ölkonzerne in Deutschland setzten auf diese Projekte, um ihre gesetzlichen Klimaschutzvorgaben zu erfüllen. Der Großteil dieser Projekte ist in China und wurde von einem kleinen Kreis deutscher Prüfstellen verifiziert. ZDF frontal deckte Ende Mai die Masche mit vorgetäuschten Klimaprojekten auf.
Bei den Vorwürfen geht es um sogenannte Upstream-Emissions-Reduktions-Projekte (UER). Diese sind eine Möglichkeit für Ölkonzerne, gesetzliche Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen.
Bei den meisten der vom Umweltbundesamt genehmigten Projekte geht es darum, Treibhausgasemissionen bei der Ölförderung zu verringern. Dafür erhalten die Unternehmen Zertifikate, mit denen sie gesetzliche Klimaschutz-Vorgaben in Deutschland erfüllen können. Ein Teil der zertifizierten Projekte hat nach früheren Angaben des UBA offenbar gar nicht existiert, in anderen Fällen wurden schon bestehende Anlagen als neu ausgewiesen.
Eine Firma im Zentrum des Schattensystems
Nach Angaben des UBA-Präsidenten Messner stehe eine Firma im Zentrum dieses mutmaßlichen Täuschungssystems:
Diese Firma, so Messner weiter, brauchte die Unterstützung sogenannter Verifizierer und Validierer - also deutscher Prüfstellen. Damit erreichte sie eine "hohe Plausibilität", so Messner.
Drei dieser deutschen Prüfstellen, die UER-Projekte verifiziert und validiert haben - darunter auch der Tüv Rheinland - wurden Mitte Juli von der Polizei durchsucht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betruges.
Frontal deckte auf, dass Klimaschutzprojekte in China nur vorgetäuscht waren. Alle Projekte wurden von deutschen Prüfstellen verifiziert und vom Umweltbundesamt genehmigt.16.07.2024 | 1:34 min
Behörde will Betrugs-Zertifikate zurückfordern
Bei mehr als der Hälfte der verdächtigen Klimaschutzprojekte könne das UBA den Schaden im Nachhinein begrenzen: UER-Zertifikate, die keine tatsächlichen CO2-Einsparungen erzielten, will die Behörde zurückfordern, so Messner.
Bei diesen möglichen Rückforderungen geht es um viel Geld. ZDF frontal schätzt den Zertifikat-Marktwert der vom UBA in China genehmigten 66 Projekte auf mehr als 1,5 Milliarden Euro. Gezahlt wird dieses Geld am Ende von Verbrauchern über den Spritpreis an der Tankstelle.
Für 13 bereits abgeschlossene Projekte käme die Aufklärung laut UBA allerdings zu spät. Diese Fälle wolle das UBA nun der Staatsanwaltschaft übergeben.
Neue Ermittlungsergebnisse zeigen: 45 Klimaprojekte in China stehen im Verdacht, nur vorgetäuscht zu sein. Umweltministerin Lemke kündigt Konsequenzen an.