In den letzten zwei Jahren der Pandemie gaben viele mehr Geld für teurere Bio-Lebensmittel aus. Mit der Inflation ist das nun vorbei. Wie Läden und Bauern davon betroffen sind.
Der Umsatz bei Bio-Lebensmitteln aus regionaler Produktion bricht ein. Seit dem Ukraine-Krieg sind auch die Preise für Lebensmittel auf Rekordwerte gestiegen. Bio-Ware wird für viele Menschen zu teuer.
Die Umsatzkurven für Biolebensmittel in Deutschland gingen in den vergangenen Jahren nur in eine Richtung - nach oben. 15,87 Milliarden Euro setzte der Handel 2021 laut Marktforschern vom Arbeitskreis Biomarkt um. Rekord. Doch seit dem Krieg in der Ukraine wendet sich das Blatt.
Explosion bei den Energiepreisen, Knappheit beim Getreide, die aktuelle Inflationsrate in Deutschland mit über 7 Prozent haben Folgen - besonders im Biolebensmittel-Segment. So sanken die Umsätze im Bio-Fachhandel im ersten Quartal 2022 um 13,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, berechnete der Bundesverband Naturkost Naturwaren.
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Weniger Kunden, weniger Einkäufe
Bioladen-Besitzer wie Julia Schwarting können das nur bestätigen. In einem schicken, mobilen Bauwagen in Hemmingen nahe Hannover hat sie ein reichhaltiges Sortiment von Biolebensmitteln. Überwiegend Stammkunden kommen in ihren kleinen Laden, man kennt sich. Doch einige von ihnen hat sie schon länger nicht mehr gesehen. Und die, die noch kommen - sie kaufen weniger.
Schwarting erzählt von einem Gespräch mit einer Kundin, die drei pubertierende Söhne hat. Die essen einem nahezu täglich den Kühlschrank leer, beschreibt die Dame. Bei den Mengen und den deftig gestiegenen Preisen könne sie sich ausschließlich Bio nicht mehr leisten. So oder so ähnlich geht es vielen von Schwartings Kunden. Heißt für sie: weniger Umsatz, weniger Gewinn.
Neben Öl und Gas werden in Deutschland derzeit auch Lebensmittel immer teurer. Gerade Bio-Produkte können sich viele kaum noch leisten – ein Überblick.
Bio-Höfe mit Problemen, ihre Produkte zu verkaufen
Schwartings Beobachtungen aus ihrem Mikrokosmos treffen auch die über 35.000 Biohöfe in Deutschland. Einige haben nun schwer zu kämpfen. Wie Carsten Bauck, der seinen Demeter-Hof in Klein Sülstett bei Uelzen seit 20 Jahren bewirtschaftet. 7.000 Legehennen, Rinder, Kartoffeln:
Dabei waren die zwei Jahre seit Beginn der Corona-Pandemie für Bauck und seinen Kollegen richtig gut. Keine Reisen, keine Gaststättenbesuche. Die Menschen hatten Geld, das sie auch für teurere Bio-Lebensmittel ausgaben. Anfangs kam die Branche der gestiegenen Nachfrage kaum nach, also wurde aufgestockt, von allem mehr. Und jetzt:
Discounter-Bio statt Bio aus dem Fachhandel
Zwischen 70 Cent und einem Euro kostet mittlerweile ein Demeter-Ei, wegen gestiegener Kosten für Futter, Energie und Mitarbeiter. Zu viel, auch für viele überzeugte Ökokunden. Sie weichen auf das nächst günstigere Produkt aus, erklärt Carsten Bauck:
Oder der Kunde kauft die unter geringeren Richtlinien produzierten, günstigeren Bioprodukte im Supermarkt oder Discounter. Dort stieg der Umsatz sogar im ersten Halbjahr 2022 um 35 Prozent im Vergleich zu 2019, wie die Zahlen vom Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft belegen. Nur sind dort Demeter- oder Biolandprodukte gar nicht oder selten zu finden.
Aus einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey geht hervor, dass knapp 57 Prozent der Befragten seit der Inflations-Explosion billigere Lebensmittel als zuvor kaufen. Kein Wunder, denn es gibt Sparpotenzial zwischen Bio-Produkten aus dem Fachhandel und der Bio-Ware vom Discounter.
Bei einem Einkauf bestehend aus Butter, Eiern, Käse, Milch und Äpfeln kostet Bio knapp 19 Prozent mehr. Sogar 45 Prozent werden gespart, wenn statt Bio die Discounter-Billig-Eigenmarken gekauft werden – das läppert sich, ist bares Geld.
Demeter ist einer der größten Bioverbände Deutschlands. Was steckt dahinter?
Weniger Geld für Umweltschutzprojekte
Neben den wirtschaftlichen Aspekten des Nachfragerückgangs bei Produkten vom Bio-Fachhandel sieht Bauck auch Nachteile für den Klimaschutz: "Viele Projekte von Wasser- bis Insektenschutz können wir dann wegen sinkender Einnahmen nicht mehr realisieren. Obwohl es gesellschaftspolitisch wichtig wäre, diese Themen voranzutreiben."
Der Kunde hat es in der Hand, sagt Bauck. Das stimmt. Doch der hat sich, angesichts inflationsbedingter, knapperer Kassen, offensichtlich erst einmal entschieden.