Der Ukraine-Krieg treibt die Energiewende in Schleswig-Holstein voran. In Brunsbüttel soll ein LNG-Terminal entstehen, ist sich die Jamaika-Koalition kurz vor der Wahl einig.
In diesen Frühlingstagen weht der Wind oft Schwaden dunklen Kohlenstaubs durch den Hafen von Brunsbüttel. Dort, wo einmal Flüssiggas aus großen Tankschiffen die Unabhängigkeit von russischem Erdgas bringen soll, spürt man noch wenig vom jüngsten Leuchtturmprojekt der Energiewende, noch wird hier reichlich ausländische Kohle umgeschlagen, die mit kleinen Frachtern an ihre Ziele im Binnenland transportiert wird.
LNG-Terminal: Land macht Tempo
Dabei würden Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und die Kieler Jamaika-Koalition auch in Brunsbüttel lieber heute als morgen ein LNG-Terminal in Betrieb nehmen und bis dahin das auf rund minus 160 Grad abgekühlte und damit verflüssigte Gas aus den USA, vom arabischen Golf oder aus der norwegischen Nachbarschaft auf schwimmenden Entladestationen zwischenlagern.
Pläne für die Anlandung von LNG gab es in Schleswig-Holstein schon lange, doch sind sie bislang immer am billigen Erdgas gescheitert, das durch Pipelines aus Russland kommt. Der Ukraine-Krieg bedeutet jetzt auch für die Energieversorgung eine Zeitenwende.
Neben zwei geplanten Standorten in Niedersachsen soll auch in Brunsbüttel Flüssiggas ankommen, da sind sich die noch-Partner der Jamaika-Koalition im Kieler Landeshaus kurz vor der Landtagswahl einig, auch wenn die Grünen LNG als klimaschädlichen fossilen Brennstoff bestenfalls als Brückentechnologie akzeptieren und das künftige Terminal möglichst schnell für grün erzeugten Wasserstoff nutzen wollen.
FDP will Zahl der Offshore-Windparks erhöhen
Insgesamt ist Russlands blutiges Vorgehen in der Ukraine ein Treibsatz für die Energiewende im Norden, der unter der Jamaika-Koalition ein wenig die Luft ausgegangen war: Die CDU bremste beim Ausbau der Windkraft, den Landes-Grünen war ein LNG-Terminal lange zu sehr mit amerikanischem Fracking-Gas verbunden.
Unter dem Eindruck des Krieges drückt jetzt auch die FDP als dritter Koalitionspartner beim Ausbau der regenerativen Stromerzeugung aufs Tempo: Auf dem Bundesparteitag an diesem Wochenende wollen die Nord-Liberalen zwar kurzfristig die Erdgas- und Erdölförderung in der Nordsee intensivieren, mittelfristig aber die Zahl der Offshore-Windparks deutlich erhöhen und künstliche Inseln zur Wasserstoffproduktion auf hoher See schaffen.
Grüner Strom gibt Schleswig-Holstein Auftrieb
Auch die Bundesregierung will bis 2045 in Nord- und Ostsee Windräder mit der Gesamtleistung von 70 Atomkraftwerken installieren.
Um möglichst schnell unabhängig von russischer Energie zu werden, setzt die Bundesregierung auf Flüssigerdgas. Niedersachsen drückt aufs Tempo - dort sollen drei LNG-Terminals entstehen. Kritik kommt von Anwohnern und Umweltschützern.
Schon jetzt erzeugt Schleswig-Holstein vor allem mit Windkraft und Solarenergie mehr grünen Strom, als es selbst brauchen kann, was die hiesigen Verbraucher und die lokale Industrie hohe Netzentgelte kostet - aber der grüne Strom wird im strukturschwachen Norden zusehends zum Standortvorteil.
Im März hat der schwedische Batteriehersteller Northvolt angekündigt, bei Heide in Dithmarschen ein Werk bauen zu wollen, das einmal nachhaltig produzierte Lithium-Ionen-Batterien für bis zu eine Million Elektroautos produzieren soll - Unternehmenschef Peter Carlsson erklärte die beabsichtigte Ansiedlung des Werks mit bis zu 3.000 Arbeitsplätzen mit dem Überschuss an Strom aus On- und Offshore-Windkraft.
Umweltschützer zeigen sich besorgt
Gegenüber dem Wirtschaftsmagazin "Capital" bezeichnete er die Region sogar als "Clean-Energy Valley", wo man Batterien mit kleinstem ökologischen Fußabdruck in herstellen könne.
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Noch ist diese Fabrik nicht gebaut und auch in Brunsbüttel werden unter günstigsten Bedingungen zwei bis drei Jahre ins Land gehen, bis ein LNG-Terminal und die nötigen Rohrleitungen ins Gasnetz fertig sind, aber im Norden scheint die Energiewende die Wirtschaft voranzubringen.
Umweltschützern allerdings macht das Angst, sie befürchten eine weitere "Verspargelung" der Landschaft durch Windräder und vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise weniger Einspruchsmöglichkeiten gegen die geplanten Großprojekte durch beschleunigte Genehmigungsverfahren.