Bürgergeld löst Hartz IV ab: Jobcenter unter Druck

    Bürgergeld löst Hartz IV ab:Jobcenter zum Jahreswechsel überlastet

    von Johanna Hausmann
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    Ab Januar 2023 müssen die Jobcenter das neue Bürgergeld umsetzen. Eine Aufgabe mehr für die Mitarbeitenden, die über enorme Überlastung klagen.

    Der Eingang des Jobcenters Torgelow. Symbolbild
    Die Einführung des Bürgergelds bringt Jobcenter an ihre Grenzen (Symbolbild).
    Quelle: Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/ZB/Archivbild

    Der Wechsel vom Hartz-IV-System zum neuen Bürgergeld steht kurz bevor: Ab dem 1. Januar beziehen Erwerbslose nicht mehr Arbeitslosengeld und Sozialgeld, sondern einheitlich Bürgergeld.

    Situation für 408 Jobcenter in Deutschland angespannt

    In die Praxis umsetzen müssen das neue Gesetz die deutschlandweit 408 Jobcenter. Das Bundesnetzwerk Jobcenter warnte Anfang Dezember in einem offenen Brief, die stetige steigende Arbeitsbelastung sei für die Jobcenter kaum noch zu bewältigen. Kurz vor dem Jahreswechsel ist die Situation weiter angespannt.
    Die Leiterin des Jobcenters Köln-Porz sitzt vor dem Computer an ihrem Schreibtisch
    Am 1. Januar wird das neue Bürgergeld eingeführt. Im Jobcenter Köln-Porz wurden die Mitarbeiter schon dafür geschult, sie betreuen rund 10.000 Hartz-IV-Empfänger. Was wird die Umstellung verändern?21.12.2022 | 1:53 min
    In einem offenen Brief des Bundesnetzwerkes Jobcenter heißt es:

    Mit Blick auf die kommenden Monate ist jedoch zu befürchten, dass eine Reihe weiterer Faktoren die Leistungsfähigkeit der Jobcenter an ihre absoluten Grenzen und darüber hinaus bringen.

    Bundesnetzwerk Jobcenter

    Und weiter: "Eine zeitnahe und zuverlässige Aufgabenerledigung wäre dann auch durch ein noch so entschiedenes Krisenmanagement nicht mehr zu gewährleisten, mit nicht kalkulierbaren Konsequenzen für das gesamte Aufgabenspektrum der Jobcenter."

    Wegen Bürgergeld: Zu viele Aufgaben auf einmal

    Das Bürgergeld allein wäre für die Jobcenter auch kurzfristig kein Problem gewesen, erklärt Martin Greiner, Leiter des Jobcenters Nordmecklenburg. Er ist einer der Unterzeichner des offenen Briefes und sagt:

    Aber wir sind aktuell auch zuständig für die Versorgung ukrainischer Geflüchtete, werden für die Umsetzung des Wohngeld-Plus-Gesetzes eingeplant und haben mit den Nachwirkungen der Corona-Pandemie zu tun.

    Martin Greiner, Leiter Jobcenter Nordmecklenburg

    Hohe Krankenstände und unbesetzte Stellen belasten die Mitarbeitenden zusätzlich.

    Reformen mit wenig Personal schwer umsetzbar

    Auch Jan Kaltofen, Leiter des Jobcenters Halle (Saale), fürchtet, dass sich wichtige Reformen des Bürgergeldes schwer umsetzen lassen, wenn seine Mitarbeiter weiterhin so überarbeitet sind.
    "Mit dem Bürgergeld soll das Jobcenter endlich von einer reinen Vermittlungsbehörde zu einer sozialen Behörde werden", sagt er. "Kunden sollen gecoacht, enger und zeitintensiver betreut werden."
    Alle Jobcenter würden das begrüßen, umsetzen könnten sie diese Reformen mit dem überlasteten Personal aber nicht oder nur unter größten Anstrengungen, sagt Kaltofen. "Den Mitarbeitenden fehlt leider oft Zeit."

    Großteil der Neuerungen gilt für Jobcenter ab Juli 2023

    Obwohl das Gesetz ab dem ersten Januar in Kraft tritt, wird das Bürgergeld in zwei Schritten umgesetzt. Ein großer Teil der Änderungen gilt für die Jobcenter erst ab dem 1. Juli 2023.
    Ab Januar 2023 werden zunächst höhere Regelsätze ausgezahlt, sie steigen für einen alleinstehenden Erwachsenen um 53 Euro auf 502 Euro im Monat. Der Vermittlungsvorrang ist ab Januar abgeschafft. Erwerbslose werden nicht mehr vorrangig in einen Job vermittelt, wenn eine Aus- oder Weiterbildung nachhaltiger aus der Arbeitslosigkeit helfen kann.
    Außerdem ab Januar gilt die zwölfmonatige Karenzzeit. Wer sich neu arbeitssuchend meldet, muss in den ersten zwölf Monaten nicht nachweisen, dass er in einer angemessenen Wohnung lebt. Diese neuen Regelungen konnten die Jobcenter auch kurzfristig umsetzen. "Regelsatzerhöhungen gibt es eigentlich jedes Jahr und zum Beispiel mit Karenzzeiten konnten unsere Mitarbeiter schon während der Corona-Pandemie Erfahrung sammeln", sagt Greiner.

    Großer Schulungsbedarf bei Mitarbeitenden

    Die Umstellungen zum Juli nächstes Jahres erfordern auch eine rechtliche und praktische Umschulung der Mitarbeitenden. Erwerbslose werden einen Anspruch auf eine ganzheitliche Betreuung, ein soziales Coaching haben. Für Weiterbildungsmaßnahmen werden neue finanzielle Förderungsmöglichkeiten und neue Formen der Unterstützung bestehen. Ein Kooperationsplan soll als Vereinbarung auf Augenhöhe den Eingliederungsplan ersetzen.
    Das seien alles sinnvolle Maßnahmen, um die auch die Jobcenter lange gerungen hätten, sagt Kaltofen. Er fordert aber mehr Budget und vor allem eine langfristige Entlastung der Jobcenter. "Uns können nicht immer mehr und mehr Aufgaben zugeschoben werden."

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