In den vergangenen Jahren sind Chinas wirtschaftliche Beziehungen zur Ukraine immer wichtiger geworden, auch über die neue Seidenstraße. Krieg kommt Peking daher ungelegen.
Am 4. Februar 2022, 20 Tage vor der russischen Invasion in die Ukraine, verkünden der chinesische Staatschef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin in einem gemeinsamen Statement, dass die Freundschaft zwischen beiden Ländern "keine Grenzen" hätte. Doch seit Kriegsbeginn hält sich Peking bedeckt. Bei der Abstimmung in der UN, die den russischen Angriff verurteilt, enthält sich China.
Obwohl in der chinesischen Öffentlichkeit Verständnis für Russland besteht, bleibt die Begeisterung für den Krieg aus. Laut Joseph Torigian, Professor an der American University in Washington (USA), ist das Interesse an einem schnellen Ende der Kriegshandlungen in Peking groß.
Russland und China haben im Februar 2022 eine strategische Allianz gegen die Nato und die USA gegründet. Doch Putins Angriff auf die Ukraine wirft für Xi Fragen auf.
Denn der Krieg in der Ukraine kann für China direkte wirtschaftliche Konsequenzen haben, da Putin in ein Land einmarschiert, das für China in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist.
Ukraine ist wichtiges Transitland der Seidenstraße
Seit 2017 ist die Ukraine Teil der neuen Seidenstraße, dem chinesischen Großprojekt, das China über verschiedene See- und Landrouten mit Europa verbinden soll.
Durch das Assoziationsabkommen zwischen der Ukraine und der EU, das den Handel zwischen beiden erleichtert, ist das Land ein wichtiger Umschlagspunkt der Eisenbahnstrecke "Neue Eurasische Landbrücke" geworden, die von China bis nach Europa führt.
Laut chinesischem Außenministerium stärkt die Neue Eurasische Landbrücke den globalen Handel, da so eine Alternative zum immer kostspieligeren See- und Lufttransport besteht.
Auch während der Corona-Pandemie nahm der Handel über diese Route kontinuierlich zu. Während 2016 noch 1.900 Fahrten stattfanden, waren es 2021 bereits fast 14.000. Auch der Wert der Fracht erhöhte sich immens, von acht Billionen US-Dollar 2016 auf fast 75 Billionen Dollar 2021.
Infrastruktur, Getreide und Militärausrüstung
Darüber hinaus haben sich die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern vertieft. Mittlerweile ist laut Daten des ukrainischen Statistikamts China der wichtigste Handelspartner des Landes - noch vor Russland.
Chinesische Firmen investieren in ukrainische Infrastruktur, beispielsweise durch Ausbaggerungsprojekte in Häfen in der Nähe von Odessa - eine Stadt im Süden des Landes, wo nun russische Truppen immer näher rücken.
ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf berichtet aus der Nähe von Odessa.
Aber auch an dem Ausbau erneuerbarer Energien und Atomenergie oder dem ukrainischen Mobilfunknetz sind chinesische Firmen beteiligt. Zudem profitiert China von ukrainischen Exporten. 30 Prozent der chinesischen Getreideimporte kommen aus der Ukraine, ebenso wie Militärausrüstung, unter anderem Triebwerke und Raketen.
Handel mit Ukraine nicht ausschlaggebender Faktor
Von Russlands Krieg gegen die Ukraine sind daher auch chinesische Firmen und Importe unmittelbar betroffen. Doch die wirtschaftlichen Verzweigungen mit der Ukraine werden nicht der ausschlaggebende Faktor sein, um sich offen gegen den Krieg und damit gegen den strategisch und wirtschaftlich bedeutsameren Nachbarn Russland zu stellen.
Als enger Partner Russlands müsste Xi Jinping zu Putins Krieg stehen. Doch die wichtigen Handelsbeziehungen zum Westen stehen auf dem Spiel und damit die Wirtschaftskraft Chinas.
Bisher macht der Handel mit der Ukraine nur 0,2 Prozent des Gesamthandels Chinas aus, der Handel mit Russland hingegen 2,3 Prozent. Allerdings enden die Auswirkungen des Krieges nicht bei den direkten Handelsbeziehungen zur Ukraine.
Die weltweite Unsicherheit durch den Krieg und die steigenden Energiepreise durch Sanktionen und Gegensanktionen könnten laut Andreea Brinza, Vizepräsidentin des Romanian Institute for the Study of the Asia-Pacific, zu einem weltweiten Nachfragerückgang führen. Eine geringere Nachfrage nach chinesischen Waren könnte Chinas Wirtschaftswachstum dabei stark beeinträchtigen.
Wirtschaftliche Leistung als Legitimation
Daher könnte der Krieg die gesamte chinesische Wirtschaft entscheidend schwächen. Für eine Regierung, deren Legitimation zu einem großen Teil auf dem wirtschaftlichen Erfolg des Landes beruht, ist dies bedrohlich. Umso bedeutsamer ist für China daher die schnelle Beendigung des Krieges.