Handelsabkommen:Chinas Griff nach Südamerika
von Tobias Käufer
24.07.2022 | 17:50
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Eigentlich wollten südamerikanische Länder gemeinsam mit China einen Handelsvertrag schließen, nun prescht Uruguay vor. Und ebnet der Weltmacht so den Weg auf den Kontinent.
Der Präsident von Uruguay, Luis Lacalle Pou (r.) mit dem paraguayischen Präsidenten Mario Abdo Benitez (l.) beim Mercosur-Treffen in Paraguay.
Quelle: epa
Der Zeitpunkt war offenbar bewusst gewählt: Unmittelbar vor Beginn des Gipfeltreffens des südamerikanischen Staatenbundes Mercosur in Paraguay kam die Nachricht vom Beginn der offiziellen Verhandlungen zwischen Uruguay und China über einen Freihandelsvertrag.
Beide Länder wussten, was sie damit lostreten würden: Proteste und Unbehagen bei den anderen Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien oder Paraguay und Alarmstimmung in Europa. Doch Peking wie Montevideo ging es um eine klare Botschaft: Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren. Den Anfang nahm die Entwicklung bereits im vergangenen Jahr, wie Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou erklärte:
Begonnen hat das Projekt im September 2021, als das Machbarkeitsabkommen mit der Volksrepublik China geschlossen wurde.
Luis Lacalle Pou, Staatspräsident Uruguay
Südamerika ist angesichts der jüngsten weltpolitischen Entwicklung mit dem russischen Überfall auf die Ukraine wirtschaftlich wieder deutlich interessanter geworden. Die Region verfügt über Rohstoffe, ist Nahrungsmittellieferant und bildet einen großen Markt. Mercosur, die abgekürzte Bezeichnung für den "Gemeinsamen Markt Südamerikas", verfügt immerhin über eine Einwohnerzahl von 260 Millionen Menschen.
Europa kritisch wegen Abholzung von Amazonas
Eigentlich wollten die Europäer bereits vor drei Jahren einen Handelsvertrag mit dem Mercosur abschließen, doch dann wuchs in Europa der Widerstand wegen der unter dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro wieder zunehmenden Amazonas-Abholzung. Insbesondere bei Umweltschutzorganisationen ist der Widerstand deswegen groß.
Grundsätzlich hat die Ampel-Koalition die Position der Vorgängerregierung übernommen: "Deutschland hat den Abschluss eines ambitionierten EU-Mercosur-Abkommens aus geostrategischen, ökonomischen, außen- und nachhaltigkeitspolitischen Gründen befürwortet", hieß es dazu jüngst aus dem Auswärtigen Amt auf Anfrage von ZDFheute.
Doch Berlin wie auch Brüssel verbinden das mit den Forderungen nach einer Verbesserung der Umweltschutzstandards: "Laut Koalitionsvertrag setzt sich die Bundesregierung dann für die Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens ein, wenn zuvor von Seiten der Partnerländer umsetzbare und überprüfbare, rechtlich verbindliche Verpflichtungen zum Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsschutz eingegangen werden und praktisch durchsetzbare Zusatzvereinbarungen zum Schutz und Erhalt bestehender Waldflächen abgeschlossen worden sind", so das Auswärtige Amt.
Deutschland und EU warten, China handelt
Zwar werden wegen der Energiekrise derzeit auch andere Umweltvorgaben von Berlin über den Haufen geworfen, wie beispielsweise die verstärkte Nutzung von Kohle. Doch ein Handelsvertrag mit Bolsonaros Brasilien ist derzeit politisch nicht durchsetzbar. Berlin und Brüssel warten nun auf den Ausgang der Wahlen in Brasilien Anfang Oktober und hoffen auf einen Machtwechsel.
Die Umfragen in Brasilien führt derzeit Ex-Präsident Lula da Silva (2003 – 2011) an. Dessen Abholungszahlen waren in der ersten Amtszeit zwar noch verheerender als die in Bolsonaros ersten vier Jahren, dafür begann Lula danach aber die Politik zu verändern und die Abholzung ging langsam zurück. Im aktuellen Wahlkampf verspricht Favorit Lula sogar einen Plan, der "Null Abholzung". Das ist genau das, was die potentiellen Handelspartner in Europa erwarten.
China nimmt darauf keine Rücksicht. Peking treibt die Verträge mit Südamerika auch jetzt schon voran, ist in Brasilien ohnehin schon omnipräsent. Sollte in Brasilien allerdings Bolsonaro doch die Wahlen gewinnen, würde es für einen EU-Mercosur-Freihandelsvertrag deutlich schwieriger. China dagegen hat dann den Fuß in Südamerika schon über Uruguay in der Tür.