Nach Einschätzung des Ökonomen Marcel Fratzscher kommt die Bundesregierung nicht an Steuererhöhungen vorbei. Politiker, die etwas anderes behaupteten, seien "unehrlich".
Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält Steuererhöhungen wegen der enormen staatlichen Corona-Ausgaben für unvermeidbar.
In den kommenden zehn Jahren werde die Beschäftigung wegen des demografischen Wandels sinken. Gleichzeitig müssten die Pandemieschulden abgezahlt und Milliarden in die Digitalisierung und den Klimaschutz investiert werden. Fratzscher sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland:
Fratzscher: Höhere Steuern auf Grund und Boden
Der DIW-Chef sprach sich in diesem Zusammenhang für eine Entlastung von Arbeitseinkommen und höhere Steuern auf Vermögen aus: "Es gibt kaum ein Land auf der Welt, das Arbeitseinkommen so stark und Vermögen so gering besteuert wie Deutschland."
Eine Wiedereinführung der Vermögensteuer lehnte Fratzscher jedoch ab. "Ich teile die Ansicht, dass der Aufwand für deren Erhebung erheblich ist und die Steuer zu ungewollten Ausweichreaktionen führen kann."
Stattdessen solle es eine stärkere Besteuerung von Grund und Boden und eine "faire Erbschaftsteuer mit niedrigeren Sätzen, aber weniger Ausnahmen" geben.
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Welle an Insolvenzen nur Frage der Zeit
Der Shutdown legt die Wirtschaft lahm. Dass es zu einer Insolvenzwelle komme, sei nur eine Frage des "Wann", so DIW-Chef Fratzscher. Er sieht schwere Versäumnisse bei der Politik.
Wachstumsprognose nach unten korrigiert
Das DIW hat wegen der derzeitigen Corona-Infektionswelle seine Prognose für das Wachstum der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr deutlich abgesenkt.
Man gehe beim DIW inzwischen nur noch von einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 3,5 Prozent aus, wie Fratzscher dem "Handelsblatt" sagte. Zuvor hatte das Institut noch ein Wachstum von 5,2 Prozent erwartet.
Hoffnung liegt auf zweitem Quartal
Die deutsche Wirtschaft befinde sich bereits in einer erneuten Rezession, sagte Fratzscher. Nach einem schrumpfenden vierten Quartal 2020 erwarte sein Institut "einen wirtschaftlichen Einbruch von mehr als zwei Prozent" im ersten Quartal 2021.
Die Hoffnung eines wirtschaftlichen Neustarts liege dann auf dem zweiten Quartal. Dies werde aber nur dann gelingen, wenn die Infektionswelle bis Februar abebbe und die Einschränkungen dann zum größten Teil aufgehoben werden könnten.
Gefahr von Insolvenzen
"Wenn dies nicht gelingt", warnte der DIW-Präsident, "dann könnte die Wirtschaft in Deutschland noch länger leiden und die Gefahr von Unternehmensinsolvenzen und Arbeitslosigkeit deutlich zunehmen".
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Experten erwarten 2021 kräftiges Plus
2020 hatte die Wirtschaft zu kämpfen. Doch nun soll es aufwärts gehen: Eine Studie prophezeit für 2021 ein kräftiges Wachstum. Die Branchen sollen aber unterschiedlich profitieren.