Die Impfstoff-Suche hat den wohl größten Wettlauf ausgelöst, den die Wissenschaft je gesehen hat. Am Ausgang des Rennens entscheidet sich, wer den Corona-Schutz zuerst bekommt.
Einige vergleichen das Impfstoff-Rennen schon mit dem Wettlauf ins All in den 1950er und 1960er Jahren. Diesmal ist allerdings die ganze Welt beteiligt.
Und Moskau will sich dabei erneut an erster Stelle positionieren: Noch vor Abschluss der international üblichen klinischen Tests hat Russland am 11. August den ersten Corona-Impfstoff mit dem Namen "Sputnik V" zugelassen. Das staatliche Institut Gamaleya verspricht eine 92-prozentige Wirksamkeit gegen das neuartige Coronavirus. Auch in China wurden im Rahmen einer Notfallzulassung bereits Hunderttausende Menschen mit dem Impfstoff von Sinovac geimpft. Ähnlich wie in Großbritannien, wo Anfang Dezember die weltweit erste Impfung mit dem Vakzin von Biontech durchgeführt wurde. In der EU und Deutschland zog sich der Impfstart deutlich länger hin.
95 Prozent Wirksamkeit in Studie
Die Wirksamkeit des Impfstoffs beziffert Biontech auf knapp 95 Prozent. Die Mainzer Firma entwickelt diesen zusammen mit dem Pharmariesen Pfizer. Damit wäre das Vakzin ähnlich effektiv wie jenes von Moderna und wirksamer als der Impfstoff von Astrazeneca.
Neben Gamaleya, Biontech und Astrazeneca forschen der WHO zufolge noch rund 200 weitere Firmen, Universitäten und Institute an einem Corona-Impfstoff. Die folgende Tabelle zeigt, welche Phasen die Projekte derzeit durchlaufen oder abgeschlossen haben (●) und welche nicht (○). In den ersten drei klinischen Entwicklungsphasen wird ein Impfstoff an Probanden getestet. In einer weiteren Phase prüfen Zulassungsbehörden die Studienergebnisse; Impfstoffe mit Notfallzulassung dürfen nur eingeschränkt genutzt werden. Die Tabelle basiert auf den neuesten WHO-Daten, die Mitarbeiter des NDR regelmäßig aktualisieren.
Anders als beim Wettlauf ins All stehen beim Impfstoff-Rennen zahlreiche Menschenleben auf dem Spiel. Um viel Geld und nationales Prestige geht es jedoch auch beim Corona-Schutz.
Mainzer Firma vorne dabei
Beispiel Biontech: Das Mainzer Startup von Firmenchef Uğur Şahin entwickelt seinen Covid-19-Impfstoff zusammen mit dem US-amerikanischen Pharmariesen Pfizer. Im März stieg der chinesische Mischkonzern Fosun in das Projekt ein – und sicherte sich damit die exklusiven Vermarktungsrechte für China.
Die Bundesregierung appelliert zwar – ähnlich wie die chinesische – regelmäßig an die globale Solidarität. Vorab Impfdosen gesichert hat sich Deutschland trotzdem. Dafür flossen Gelder in dreistelliger Millionenhöhe, etwa in den britischen Pharmakonzern Astrazeneca.
Biontech ist Milliarden wert
Das macht den Wettbewerb der Forscher auch für Investoren interessant. Gemessen am Börsenwert von Biontech und den Anteilen, die Uğur Şahin Anfang 2020 an seinem Unternehmen hielt und laut einem Forbes-Bericht vom Juni immer noch hält, ist der Mediziner aus Mainz inzwischen Milliardär. Dem Bloomberg Billionaires Index zufolge zählte Şahin Anfang Dezember zu den 500 reichsten Menschen der Welt.
Sowohl Biontech als auch der Corona-Impfstoff des Tübinger Unternehmens Curevac, an dem im März angeblich auch Donald Trump Interesse zeigte, fördert der deutsche Staat mit Millionenbeträgen.
Als Gegenleistung für die Fördergelder erwartet die Bundesregierung:
Risikogruppen sollen zuerst geimpft werden
Wissenschaftler rechnen damit, dass wirksame Covid-19-Impfstoffe erst im kommenden Jahr breit verfügbar sein werden. Zunächst sollen allerdings nur Risikogruppen geimpft werden. Die größte Herausforderung nach der Zulassung des Impfstoffes, etwa durch das Paul-Ehrlich-Institut, ist die Produktion großer Mengen in ausreichender Qualität.
Unklar bleibt, ob sich früh entwickelte und massiv mit staatlichen Geldern geförderte Corona-Impfstoffe auch langfristig bewähren werden. Normalerweise dauert eine Impfstoff-Entwicklung mehrere Jahre.
Beobachter vermuten hinter dem Aktionismus der Staaten und dem Streit um die Vorkaufsrechte auch politische Gründe, etwa die Präsidentschaftswahlen in den USA vom 3. November.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version der Visualisierung wurden die Phasen falsch dargestellt. Wir haben den Fehler korrigiert.