Rund 7,7 Milliarden Covid-19-Impfdosen wurden bislang weltweit bestellt. Mehr als die Hälfte geht an reiche Industriestaaten. Bei welchen Herstellern kaufen die armen Länder ein?
Eigentlich wollte Martin Selmayr, Vertreter der EU-Kommission in Österreich, die europäische Koordinationsarbeit bei der Impfstoff-Beschaffung loben. 12 Millionen Geimpfte in drei Wochen seien nur dank gemeinsamer Arbeit von 27 Regierungen, Forschern und Unternehmen möglich, so Selmayr auf Twitter.
Um Kritik an den EU-Behörden vergessen zu machen, schob er dann noch einen korrekten, aber wenig sensiblen Vergleich nach: "128 Länder haben noch gar nicht mit dem Impfen begonnen (...). In Afrika wurden bisher nur 20.000 Menschen geimpft."
So viel weniger haben arme Länder bestellt
Während sich in Deutschland über Lieferprobleme beklagt wird, sind große Teile der Welt noch weit davon entfernt, dass ihre Impfkampagnen überhaupt anlaufen können. Das liegt auch daran, dass sich wohlhabende Industriestaaten bei der Impfstoff-Beschaffung einen Großteil der knappen Produktionskapazitäten gesichert haben.
Staaten, die sich nicht selbst mit Impfstoff versorgen können, sind vor allem auf das Covax-Programm der weltweiten Impfallianz Gavi angewiesen. Monatelang musste die Initiative um Finanzierung kämpfen. In Deutschland sollen bis Ende Sommer ausreichend Impfstoffe für die gesamte Bevölkerung bereit stehen.
Covax peilt an, bis Ende 2021 in 92 Ländern bis zu 20 Prozent der Bevölkerung zu impfen. Im ersten Quartal 2021 plant Covax, knapp 150 Millionen Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs weltweit zu verteilen. Bislang hat die Auslieferung aber noch nicht angefangen.
20 Millionen Impfdosen hat sich Südafrika gesichert. Das ist viel auf dem Kontinent. Die meisten afrikanischen Länder haben dafür kein Geld.
So viele Menschen wurden weltweit bereits geimpft
Fast 95 Millionen Menschen wurden weltweit bislang gegen das Coronavirus geimpft. Etwa ein Drittel davon in den USA und jeweils rund ein Viertel in Europa und China. Staaten mit einer kleinen Bevölkerung wie Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate oder die Seychellen haben bislang die höchsten Impfquoten.
Zwar liegt die EU unter anderem wegen ihrer vergleichsweise langwierigen Zulassungsprozesse für Covid-Impfstoffe deutlich zurück hinter Staaten wie Großbritannien, den USA oder Israel. Umso mehr sind die Auftragsbücher der großen Hersteller derzeit gefüllt mit Bestellungen der EU-Staaten.
Zusätzlich zu diesen rund 7,7 Milliarden bestellten Impfdosen wird aktuell über mehr als fünf Milliarden weitere verhandelt, oder sind in den Verträgen als Kaufoption vorgesehen.
So setzen Russland und China ihre Impfstoffe strategisch ein
Russland und China setzen ihre Impfstoffe jetzt schon strategisch ein, um damit Außenpolitik zu betreiben. 50.000 Dosen hier, 100.000 Dosen dort - geliefert an Staaten wie Ägypten, Mexiko oder Pakistan. Das sind bislang keine Mengen, um weite Teile der Bevölkerung zu schützen, aber genug, dass Medien in den betroffenen Ländern über die Lieferungen berichten.
Die Hersteller Gamaleya aus Russland, Sinopharm und Cansino aus China sind bislang ausschließlich Lieferverträge mit Staaten mit mittlerem Einkommen eingegangen. Damit füllen sie eine wichtige Lücke. Denn Hersteller wie Pfizer, Johnson & Johnson und Sanofi sind mit ihren Covid-Vakzinen in Schwellenländern bislang kaum präsent.
Die Autokraten in Moskau und Peking profitieren von solchen positiven Botschaften. Es ist ein Beleg, dass beide Staaten liefern, wo internationale Großkonzerne wie Pfizer noch lange Bestelllisten der Industrienationen am abarbeiten sind. Und sie drängen, die vor allem von europäischen Regierungen finanzierte Covax-Initiative aus dem Rampenlicht und schwächen multilaterale internationale Organisationen.
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