Der Shutdown kostet uns Milliarden. Jede Woche. Aber es gibt nicht nur Verlierer. Aller Widrigkeiten zum Trotz haben sich auch Gewinner der Pandemie herauskristallisiert.
Die Wirtschaft leidet - auch wenn die gesamtwirtschaftlichen Folgen laut einer Prognose des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung deutlich geringer ausfallen als erwartet. So musste Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturforschung und -prognosen des ifo Instituts seine Schätzung, wie viel der aktuelle Shutdown an Wertschöpfung wöchentlich kostet, nach oben korrigieren:
Industrie und Baugewerbe kommen besser durch die Pandemie
Nicht alle Wirtschaftsbereiche sind gleichermaßen betroffen. So geht es vor allem dem produzierenden Gewerbe mittlerweile besser, als man es noch zu Beginn der Pandemie erwarten durfte. "Gerade die Industrieunternehmen setzen nach dem Einbruch im zweiten Quartal 2020 ihre Erholung fort", erklärt Wollmershäuser.
Auch das Baugewerbe kommt gut durch die Corona-Krise. Laut einer Befragung durch das ifo Institut sehen die Unternehmen die Geschäftslage mehrheitlich positiv.
Verlierer: Gastronomie, Einzelhandel und körpernahe Dienstleistungen
Verlierer des aktuellen Shutdowns sind all diejenigen, die derzeit keinen Umsatz machen dürfen wie Gastronomie, Einzelhändler und körpernahe Dienstleistungen.
"Sie werden zwar teilweise entlastet, da über die Kurzarbeit die Lohnkosten subventioniert und durch Hilfszahlungen die Fixkosten teilweise gedeckt werden, aber kurzfristig sind sie die Verlierer der Krise", folgert der ifo-Experte.
Er ist sich aber sicher, dass viele der aktuell Betroffenen langfristig keine Verlierer bleiben werden, denn:
Online-Handel in Corona-Krise "explodiert"
Den Online-Handel sieht der Leiter der Konjunkturforschung als einen deutlichen Gewinner der Krise: "Er ist explodiert". Profitiert haben die großen Ketten, die neben den Filialen bereits vor der Krise einen Online-Shop hatten.
Auf der Strecke geblieben sind hingegen die vielen kleinen Einzelhändler, hinter denen kein Konzern steckt. "Sie hatten meist vor Corona keine Homepage, prägen aber die Einkaufsstraßen, weil sie ihnen ihr individuelles Flair verleihen".
Die Einkommensverluste in der Wirtschaft sieht der ifo Experte unkritisch: "Natürlich haben wir kurzfristig Einbußen erlitten, aber unsere Einkommen sind trotz historischer Krise immer noch gestiegen, wenn auch nicht so kräftig wie in den Jahren zuvor". Das sei für eine Rezession dieses Ausmaßes schon besonders.
Corona als Beschleuniger für Strukturwandel
Er geht davon aus, dass Corona den in vielen Bereichen notwendigen Strukturwandel beschleunigt hat. Gerade bei der Digitalisierung habe sich gezeigt, dass sich Chancen öffnen und "wir hier Grundlagen für Innovation schaffen können".
Passiere das hingegen nicht, müsse man sich langfristig Sorgen um den Wohlstand machen, denn laut dem Experten resultiert Wohlstand aus Innovationskraft und technologischen Neuerungen: "Gerade in unseren Schlüsseltechnologien dürfen wir nicht den Anschluss verpassen".
Einkommensverluste und Unsicherheit für Arbeitnehmer
Für den Arbeitnehmer, den Menschen dahinter, ist laut Monika Müller die aktuelle Situation eher eine Herausforderung, denn der Mensch an sich bewahrt sehr gerne. Die auf den Finanzbereich spezialisierte Wirtschaftspsychologin betont, dass die Menschen nicht darauf ausgelegt sind, jeden Tag etwas neu oder anders zu machen:
Hinzukommt, die Einkommensverluste durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit wirken sich auf die Psyche aus: "Man muss den Menschen eine wertschätzende Perspektive geben, um die Folgen von Verlust so klein wie möglich zu halten". Mit dem Blick aufs Konto wird gerade der finanzielle Verlust deutlich spürbar.
- "Wirtschaftsschäden und menschliches Leid"
Lernen mit dem Virus zu leben: Ifo-Präsident Clemens Fuest fordert im Interview eine bessere Test- und Impfstrategie - auch um weitere wirtschaftliche Schäden abzuwenden.
"Hier ist es wichtig, sich als Mensch eine innere Freiheit zu erhalten, um zu wissen, dass man auch mit weniger Einkommen als vor der Krise wertvoll ist. Das fällt vielen schwer, weil wir gesellschaftlich das Gegenteil gelernt haben", erklärt Müller. Sie rät zur Selbstreflexion, um sich des eigenen Potenzials auch in solchen Situationen bewusst zu sein.
Corona-Krise: Langfristig positiv für Deutschland
Einig sind sich beide Experten: Die Krise wird sich langfristig positiv auf das Land auswirken. Corona fungiere einfach als Brennglas:
"Wir müssen uns überwinden, Dinge, mit denen wir uns ungern befassen, umzusetzen. Das geht jedem so", fügt Müller abschließend hinzu.
- Experten erwarten 2021 kräftiges Plus
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