Der Zickzack-Kurs der Bundesregierung verunsichert Obst- und Gemüsebauern. Wenn keine Saisonarbeiter einreisen dürfen, machen viele Betriebe dicht und Obst und Gemüse werden knapp.
Infolge der Corona-Krise wird es nach Angaben von Bauernpräsident Joachim Rukwied voraussichtlich zu einer Verknappung von Obst und Gemüse kommen. Hintergrund sei der Mangel an Saisonarbeitskräften aus Osteuropa.
In ganz Deutschland fühlen sich Obst- und Gemüsebauern von der Politik im Stich gelassen. Zum Beispiel die Firma "Alois Wagner Gemüsebau" im bayerischen Mamming. Sie produziert Einlegegurken und Erdbeeren, braucht jedes Jahr 500 Saison-Arbeitskräfte. Das am 25. März von Horst Seehofer verkündete Einreiseverbot für Saisonarbeiter hatte die Firma kalt erwischt. "Halb 9 Uhr früh ging bei uns eine E-Mail ein", so Ursula Wagner, "dass die Grenzen ab 17 Uhr geschlossen sind und Saisonkräfte nicht mehr einreisen dürfen."
Dass die Bundesregierung inzwischen nun doch im April und Mai jeweils 40.000 Saisonkräfte aus Rumänien einfliegen will, sorgt bei den Bauern eher für Verwirrung statt Erleichterung. "Wie viele Leute und wann sie kommen können, dazu wissen wir noch nichts", so Ursula Wagner. Auch dass sich der Bauernverband um die Einreise kümmern soll, sorgt bei Bauern ebenso für Verwunderung wie die Frage, wer das alles eigentlich bezahlen soll.
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Faktische Quarantäne
Hinzu kommen Fragen der Logistik: Unmittelbar nach der Landung der Saisonarbeiter in Deutschland sollen sie einem Gesundheitscheck unterzogen werden, so das Landwirtschaftsministerium gegenüber Frontal21, "aber keinem Corona-Test". Unklar ist, wer die Gesundheitschecks durchführen soll.
Die Arbeiter müssten anschließend 14 Tage in eine faktische Quarantäne und dürften in dieser Zeit das Betriebsgelände nicht verlassen. Martin Häusling, Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament, kritisiert das als "völlig unpraktikable Lösung, von der kein Mensch weiß, wie das funktionieren soll."
Eine rein nationale Lösung
Häusling kritisiert auch den deutschen Alleingang, die Bundesregierung zeige keinerlei europäische Solidarität. "Gerade unsere Nachbarländer Frankreich und auch Holland sind extrem sauer auf Deutschland, weil auch die freie Durchfahrt von ausländischen Arbeitskräften in diese Regionen enorm behindert wird", so Häusling gegenüber Frontal21.
Wie Freiwillige Bauern unterstützen können, sehen Sie hier:
Um den Ausfall der Saisonkräfte zu kompensieren, suchen Landwirte über ein Vermittlungsportal Erntehelfer – und das mit großem Erfolg.
Geringe Selbstversorgung bei Obst und Gemüse
Nur 36 Prozent des inländischen Verbrauchs an Gemüse werden von deutschen Bauern hergestellt, bei Obst sind es sogar nur 22 Prozent. Der größte Teil wird also importiert. Wenn Länder wie Spanien oder Italien selbst Probleme mit Saisonarbeitern haben, ist auch dort die Ernte gefährdet. Und damit die Versorgung Deutschlands mit Obst und Gemüse. Steigende Preise gibt es jetzt schon. Für Nahrungsmittel mussten Verbraucher laut Statistischem Bundesamt im März 3,7 Prozent mehr zahlen als ein Jahr zuvor.
Nach dem Einreiseverbot für osteuropäische.Erntehelfer suchen landwirtschaftliche Betriebe dringend Ersatz. Vermittlungsplattformen sollen helfen, Landwirte und Freiwillige zu vernetzen. Wie schwer sind Helfer in der Corona-Krise zu finden?