Die Corona-Pandemie hat auf den Arbeitsmarkt in Deutschland starke Auswirkungen. Viele Arbeitnehmer sind aus dem Gastgewerbe in den Handel abgewandert.
Es geht um Arbeitsbedingungen und Sicherheit, um Anerkennung - und letztlich auch ums Geld. Während der Corona-Pandemie waren viele Menschen zum Wechsel des Arbeitsplatzes gezwungen - oder haben sich auch freiwillig einen neuen Job gesucht.
Gastgewerbe verliert Personal, Handel gewinnt
Verlierer ist einer neuen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zufolge eindeutig das Gastgewerbe. Hotels und Gaststätten verloren allein im Jahr 2020 rund 216.000 Beschäftigte, wie die Autorinnen der Studie, Anika Jansen und Paula Risius, unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit schreiben.
Der Einzelhandel habe sich als Auffangbecken für in der Corona-Pandemie abgewanderte Beschäftigte vor allem aus dem Gastgewerbe erwiesen. Fast 35.000 der aus der Gastronomie abgewanderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten im Verkauf einen neuen Job gefunden. Was zunächst in vielen Fällen als vorübergehende Lösung gedacht gewesen sein möge, habe sich in vielen Fällen als Dauervariante etabliert - womöglich unter anderem wegen familienfreundlicherer Arbeitszeiten.
Discounter wie Aldi und Lidl bieten attraktive Optionen
Die Discounter Aldi und Lidl befeuerten den Trend mit lukrativen Angeboten zusätzlich. Sie schreiben seit Monaten Angebote mit Einstiegslöhnen von mindestens 14 Euro aus - deutlich über dem Mindestlohn von künftig 12 Euro und garniert mit der Aussicht auf Aufstiegschancen zumindest für Jüngere.
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Die Kapazitäten für die Versorgung von Long-Covid-Fällen seien laut Gesundheitsminister Lauterbach "nicht im Ansatz" vorhanden. Das könnte Folgen für den Arbeitsmarkt haben.
Rund 27.000 Menschen seien von der Gastronomie in das Verkehrs- und Logistikgewerbe gewechselt. Etwa gleich viele hätten im Bereich Unternehmensführung angeheuert.
Hoher Bedarf in Hotels und Gastronomie
Der Studie zufolge sind es aber nicht nur Minijobber, die die Gastronomie verließen. Unter den Abgängen waren von Juni 2020 bis Juni 2021 auch knapp 60.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte - ein Rückgang um 10,3 Prozent. "In keinem anderen Berufsbereich fällt der Rückgang so stark aus, weder absolut noch prozentual", schreiben die Autorinnen über die Gastronomie.
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Selbst Vorzeigebetriebe müssten inzwischen schließen oder zusätzliche Ruhetage einlegen, sagt Thomas Geppert, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Bayern. Hotels könnten aus Personalmangel ihre Zimmer nicht mehr voll auslasten. Die Gastronomie brauche sechs Mal mehr Personal als etwa der Einzelhandel, um denselben Umsatz zu erzielen, rechnet Geppert vor.
Folgen der Corona-Pandemie
Dass eine solche personalintensive Branche in der Pandemie besonders leide, sei nicht verwunderlich. Zumal die vielen Minijobber während der Lockdowns nicht von der Kurzarbeit aufgefangen worden und somit gezwungen gewesen seien, sich etwas Neues zu suchen. Bei den Festangestellten sei der Abgang weniger dramatisch.
Geppert plädiert für "flexiblere Arbeitszeitmodelle", um die Mitarbeiter zu binden. Aber auch Politik und Verwaltung könnten helfen - etwa mit leichteren Visa-Zugängen für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten. Ein neuer Tarifabschluss sehe "dramatische Lohnsteigerungen" vor. Wohl auch, weil der Trinkgeld-Anteil am Verdienst unter anderem wegen zunehmender Kartenzahlung schwindet.
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