Corona legt die Schwächen des Gesundheitswesens offen: Überall mangelt es an Personal. Doch wieso stößt eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt an seine Grenzen?
Mehr als eine Million Menschen haben sich in Deutschland bisher mit dem Coronavirus infiziert. Die Folgen davon spüren auch die Reha-Kliniken: Nach einer überstandenen Corona-Infektion brauchen die Betroffenen oft eine wochenlange Rehabilitation.
Viele haben Spätfolgen
Viele von ihnen klagen noch lange nach der Genesung über Spätfolgen wie starke Atembeschwerden, dauerhafte Erschöpfung und Gedächtnisschwierigkeiten.
Darum hat sich das Reha-Klinikzentrum Bad Sulza auf die Behandlung von Post-Covid19-Patienten spezialisiert. Wie wichtig eine schnelle Reha-Therapie ist, das hat Gerd Gerstenberger am eigenen Leib erlebt. Zwei Wochen lang lag er mit einer Corona-Infektion auf der Intensivstation, erlitt einen Herzinfarkt und zwei Lungenembolien.
Lage in Pflegeheimen spitzt sich zu
sagt Gerstenberger. "Und ich leide da heute noch drunter. Das läuft ab wie ein Film, sie denken aber nicht, dass Sie die Hauptrolle spielen." Solch traumatischen Erfahrungen aufzufangen ist für Reha-Kräfte wie Kerstin Scheibe eine große Mehrbelastung.
Weil wegen der Abstandsregeln nur kleine Therapiegruppen möglich sind, verdoppelt sich der Arbeitsaufwand für die Pflegekräfte. Dazu kommt, dass alle neuen Patientinnen und Patienten bei ihrer Aufnahme einen Antigen-Schnelltest machen müssen - um auszuschließen, dass eine Infektion einschleppt wird.
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Diese Maßnahmen binden Kräfte, so Geschäftsführer Mark Förste:
Dass sich immer wieder auch Pflegekräfte infizieren und ausfallen oder in Quarantäne müssen, verschärft die Personallage zusätzlich. Und für all den Corona-Mehraufwand bekommen die Kliniken gerade einmal circa acht Euro zusätzlich pro Tag und Patient.
In Deutschland mangelt es an Personal
Etwa 80.000 Pflegekräfte fehlen in Deutschland. Für Christof Lawall von der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation muss sich etwas ändern, denn der Fachkräftemangel könnte sich in Zukunft noch verschärfen.
"Das liegt am demografischen Wandel, aber auch daran, dass viele Pflegekräfte nicht bis zum Renteneintritt in diesem Beruf bleiben, weil die Pflege einfach sehr anstrengend und schlecht bezahlt ist."
Schwierige Suche nach Pflegekräften
65 Betten für Post-Covid19-Patienten gibt es im Klinikzentrum in Bad Sulza. In ganz Deutschland stehen etwa 3.000 solcher Reha-Plätze bereit. Aktuell befinden sich aber schon mehr als 4.100 Covid 19-Erkrankte auf Intensivstationen.
Die Lage im Klinikzentrum Bad Sulza ist angespannt. Doch kurzfristig Personal einzustellen sei geradezu unmöglich, meint Geschäftsführer Förste. Reha-Kliniken hätten es hier besonders schwer: "Wir dürfen keine Pflegekräfte ausbilden und können somit auch nicht über die Ausbildung neue Nachwuchskräfte im Bereich der Pflege gewinnen."
"Wir pfeifen aus dem letzten Loch" – Pflegeheime kommen bei ständig neuen Verordnungen kaum noch hinterher.
Gesundheitsversorgung eine Aufgabe der Politik
Um kostendeckend zu arbeiten, benötigen die Reha-Kliniken Geld, aber das steht nicht überall ausreichend zur Verfügung. Dass Gesundheitsversorgung als Produkt betrachtet wird, sieht der Experte Christof Lawall kritisch.
"Ich denke, wir müssen immer wieder neu definieren als Gesellschaft. Das ist eine politische Frage: In welchem Umfang wir uns eine Gesundheitsversorgung leisten wollen, welche Standards wir hier wollen und welche wirtschaftlichen Ressourcen wir dafür auch zur Verfügung stellen möchten."
Gesundheitssystem am Limit
Die Corona-Pandemie hat die Schwächen von einem der teuersten Gesundheitssysteme der Welt offengelegt. In den Reha-Kliniken wie überall im Gesundheitswesen fehlt Personal. Dieser Mangel ist so schnell nicht zu beheben. Mit schlechtbezahlten und überlasteten Kräften aber droht unserem Gesundheitssystem der Kollaps.