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Faktencheck

Daten von Wirtschaftsverbänden : Wie Arbeitgeber bei Testzahlen tricksen

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Die Wirtschaft scheut eine Corona-Testpflicht - und weist in einem Schreiben an die Kanzlerin darauf hin, dass schon jetzt viel getestet werde. Doch die Zahlen sind schöngefärbt.

Eine Person in Schutzkleidung bereitet Utensilien für einen Schnelltest vor.
Kostenlose Schnelltests für alle Mitarbeiter - bisher bietet nur etwa ein Drittel der Betriebe das an, wie aus einer Umfrage der IHK Hannover hervorgeht.
Quelle: Reuters

Die Botschaft an Kanzlerin Angela Merkel ist klar: Die Deutsche Wirtschaft liegt bei Corona-Tests auf Kurs. Es seien bereits "64 Prozent der Betriebe, die Corona-Tests anbieten und insgesamt 87 Prozent, die dies in Kürze tun werden", heißt es in einem Schreiben der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft BDA, BDI, DIHK und ZDH, das ZDFheute vorliegt.

Der sogenannte "Sachstandsbericht" wirkt auf den ersten Blick, als würde die Wirtschaft die bisher unverbindlichen Richtlinien von Bund und Ländern bereits zum großen Teil umsetzen. Im Beschlusspapier der Konferenz war als Ziel genannt worden, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern freiwillig mindestens einmal pro Woche einen Test anbieten sollen - bei entsprechender Verfügbarkeit zwei mal.

Zahlen der Wirtschaftsverbände sind schöngerechnet

Eine Analyse von ZDFheute zeigt jedoch: Die Zahlen, mit denen die Wirtschaftsverbände vollmundig für sich werben, sind teilweise schöngefärbt und irreführend. Die genannten 87 Prozent der Unternehmen, die angeblich bereits testen oder planen, dies "in Kürze" zu tun, gehen zurück auf eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer Hannover von Ende März. Dort wurden über 1.000 Unternehmen unter anderem gefragt, ob sie allen Beschäftigten Corona-Tests anbieten werden, "sobald diese gut verfügbar sind".

60 Prozent der Unternehmen antworteten mit "Ja". Weitere 27 Prozent sagten "Vielleicht" - doch dieser Anteil wurde einfach zu den 60 Prozent hinzugezählt. Tatsächlich hat also ein großer Teil der 87 Prozent der Unternehmen gar nicht angegeben, "in Kürze" mit Tests anfangen zu wollen, sondern nur "vielleicht" - und auch nur dann, wenn Tests "gut verfügbar" sind.

IHK: Nur ein Drittel der Unternehmen bietet Tests für alle

Auch die genannten 64 Prozent der Betriebe, die angeblich bereits Corona-Tests anbieten, entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Mogelpackung: Denn darunter sind 22 Prozent, die angeben, dass sie Corona-Tests "nur in Sonderfällen" anbieten, weitere neun Prozent bieten Tests nur für einen Teil der Beschäftigen - lediglich ein Drittel der Unternehmen bietet tatsächlich bereits allen Mitarbeitern Tests an.

Diese Tests sind zu fast zwei Dritteln "Laien-Tests", wie es in der Auswertung heißt - also Antigen-Schnelltests, die die Beschäftigten selbst durchführen müssen, zuhause oder im Betrieb. Ob dieses Angebot auch - wie von der Politik gefordert - mindestens einmal pro Woche gemacht wird, darüber gibt diese Statistik keine Auskunft.

Größeren Unternehmen testen mehr

Etwas besser sehen die Zahlen in der Industrie aus: 52 Prozent der Unternehmen bieten ihren Beschäftigten einen Test pro Woche. Auffallend ist hier: Je größer die Unternehmen, desto mehr wird getestet.

ZDFheute hatte den BDA um eine Stellungnahme gebeten, bislang aber keine Antwort erhalten.

Ist die Testpflicht für Unternehmer praktikabel?

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3 min
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Auch die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hatte gestern Zahlen zu Corona-Tests in Betrieben veröffentlicht, die auf den ersten Blick so gar nicht zu den Jubelmeldungen der Wirtschaftsverbände zu passen schienen - aber bei genauerer Betrachtung ein ähnliches Bild ergeben: Die Corona-Schnelltests am Arbeitsplatz liefen schleppend an, heißt es. Nur 23 Prozent der Beschäftigten hätten in einer Befragung berichtet, dass alle Präsenzbeschäftigten in ihrem Betrieb schon mindestens einmal pro Woche einen Schnelltest machen könnten.

Lauterbach für Testpflicht in Unternehmen

23 Prozent bei der Hans-Böckler-Stiftung, 33 Prozent in der IHK-Umfrage - die Ergebnisse der Erhebungen liegen gar nicht so weit auseinander, wie es zunächst schien. So sieht es auch Elke Ahlers, Expertin für Gesundheitsschutz beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung:

Das passt sehr gut zu unseren Befunden: Wir sind leider noch immer meilenweit von flächendeckenden Schnelltests am Arbeitsplatz entfernt. Die Politik darf sich jetzt nicht vertrösten lassen und muss handeln.
Elke Ahlers, Expertin für Gesundheitsschutz beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut

Mit Blick auf die schöngefärbten Zahlen der Wirtschaftsverbände fordert auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ein entschlossenes Handeln. Im Gespräch mit ZDFheute sagte er, die Unternehmen wollten möglichst ohne einen zusätzlichen Beitrag durch die dritte Welle kommen - "aber wir brauchen einfach die Testpflicht."

Wenn es wirklich so wäre, dass schon so viel getestet wird oder das kurz bevor steht, wie die Verbände behaupten – dann gäbe es doch gar keinen Grund, gegen eine Testpflicht zu sein. Dann würden wir ja nur den Status Quo festschreiben. Das wäre doch kein Problem.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach

Nun hat auch noch die Bundesregierung eine Umfrage begonnen: Ein Sprecher des Arbeitsministeriums sagte am Mittag, es gebe sehr unterschiedliche Zahlen von Wirtschaft und Hans-Böckler-Stiftung zu Corona-Tests am Arbeitsplatz - deswegen werde auch noch ein eigenes Monitoring betrieben. Das Ergebnis werde "rechtzeitig" zur nächsten Konferenz von Bund und Ministerpräsidenten vorliegen.

Dem Autor auf Twitter folgen: @OliverKlein

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