Zu Hochzeiten der Corona-Pandemie ist Emden in Ostfriesland bundesweit Spitzenreiter bei der Kurzarbeit. Die Region droht, wirtschaftlich abgehängt zu werden.
Die Stadt Emden erfährt starke Verluste durch die Corona-Krise.
Wenn Barbara Sälzer, Gastronomin und junge Mutter, mit ihrem Kinderwagen durch Emden fährt, stößt sie oft auf ungeahnte Hindernisse: altes Kopfsteinpflaster, das durch den Asphalt schaut, Risse, Schlaglöcher, alles eher notdürftig geflickt. Seit der Corona-Krise fehlt der Stadt noch mehr Geld für Sanierungen.
"Wir befinden uns hier im absoluten Innenstadtbereich, keine 150 Meter vom Stadtkern entfernt", seufzt Sälzer. Keine gute Visitenkarte für Touristen.
Einen Brandbeschleuniger nennt Emdens neuer Oberbürgermeister, Tim Kruithoff (parteilos), die Corona-Krise. Viele Einheimische gehen mittlerweile lieber in den Nachbarstädten shoppen. In wenigen Tagen schließen in der Innenstadt auch noch ein Modegeschäft und ein Drogeriemarkt.
Ausbau der Infrastruktur soll Aufschwung bringen
Eine wichtige Brücke sowie der Autobahnzubringer sind seit Jahren sanierungsbedürftig. Gastronomin Barbara Sälzer würde sich zudem wünschen, dass die Stadt, die mit ihren zahlreichen Kanälen vor dem 2. Weltkrieg noch als das "Venedig des Nordens" bezeichnet wurde, mehr Anreize für Touristen schafft. Das "Otto-Huus" zieht mit seiner Otto-Waalkes-Ausstellung etliche Touristen an.
Doch rund um den Delft, den Emder Hafen, fehlen Sälzer bislang Angebote wie Stand-up-Paddling, ein Stadt-Strand mit Beach-Bar, "einfach ein bisschen mehr als die schöne, aber alteingesessene Hafenrundfahrt", erläutert sie.
In der Corona-Krise ist VW-Standort Emden bundesweit Spitzenreiter bei den Kurzarbeit-Anzeigen.
VW macht Emden zu Elektroauto-Standort
Doch die Kommune hat gerade andere Sorgen. Da ist die Abhängigkeit vom Hauptarbeitgeber Volkswagen, der gerade auf die Fertigung von Elektroautos umstellt. Unklar, wie viele Stellen langfristig abgebaut werden. Im Emder Werk sind 9.000 Menschen beschäftigt. Als wegen der Corona-Pandemie hier die Bänder stillstanden, wurde Emden bundesweit Spitzenreiter bei der Kurzarbeit: Im März und April waren 56 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten betroffen.
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VW investiert Milliarden in E-Autos
Volkswagen will weitere Milliarden in digitale Technologien stecken. Die Investitionen sollen insbesondere der Elektroauto-Flotte zugute kommen.
Hinzu kommen Probleme im Kreuzfahrtschiffsbau und die Flaute bei der Windkraft. Durch die Krise rechnet Oberbürgermeister Kruithoff mit bis zu 20 Millionen Euro Haushaltsdefizit, 13 Millionen fehlen allein durch Gewerbesteuerausfälle. "Wir haben in unserem Haushalt keinerlei Luxus", konstatiert Kruithoff.
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Wie raus aus der Misere? "Wir müssen attraktiver werden", sagt Franka Helmerichs. Die Geschäftsführerin der IG Metall in Emden wünscht sich vor allem, dass Kitas und Schulen ausgebaut und für die industrielle Ansiedlung attraktive Konditionen geschaffen werden, günstige Mieten etwa, "damit sich Zulieferer auch trauen, hierherzukommen", sagt sie.
Niedersachsen will 15 Millionen Euro in Ostfrieslandplan investieren
Mit all diesen negativen Vorzeichen vor Augen, schlugen Emdens Oberbürgermeister Kruithoff und die Landräte der benachbarten Kreise Wittmund, Aurich und Leer bei der niedersächsischen Landesregierung Alarm. Ergebnis ist der so genannte Ostfrieslandplan, eine "Hightech-Offensive" für die Region, wie sie Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) nennt.
Die Region Ostfriesland hat es in der Corona-Krise nicht leicht.
Insgesamt 15 Millionen Euro Wirtschaftsförderung für innovative Projekte in den Bereichen Automobil, Windkraft, Kultur und Tourismus. Ein Planungsbüro unter dem Dach der Hochschule Emden/Leer soll diese Projekte in den kommenden drei Jahren ausfindig machen - und so jahrzehntelange Versäumnisse wieder wettmachen.
Barbara Sälzer freut sich über die Finanzspritze für die Region und hofft, dass sich bald auch Emdens Infrastruktur verbessert. Der marode Autobahnzubringer wird zurzeit bereits saniert. Etwa die Hälfte der Kosten in Höhe von 4,9 Millionen Euro übernimmt das Land Niedersachsen.