Russland leidet stark unter der Corona-Krise - der Staat hat Selbstständigen und Unternehmen finanzielle Hilfen versprochen. Dazu der Ölpreis-Crash. Verkraftet Russland das?
Am Montagnachmittag war es wieder so weit: Präsident Putin wandte sich ans Volk - es ging um Corona, klar. Seit Ende März hatten die Russen auf Anweisung ihres Präsidenten frei, bei voller Lohnfortzahlung. In seiner sechsten Fernsehansprache seit Beginn der Pandemie verkündete Wladimir Putin nun das Ende der sogenannten Corona-Ferien.
Die Details der Öffnung überlässt er, wie überhaupt große Teile des Corona-Krisenmanagements, den Gouverneuren. Sie selbst sollen entscheiden, welche Betriebe wieder öffnen dürfen. Dabei werden sie sicherlich getrieben von ihren größtenteils defizitären Regionalbudgets, die auf Gewerbesteuern angewiesen sind.
Zehntausend neue Corona-Infizierte an einem Tag
Die Ankündigung der Lockerungen kommt just an dem Tag, an dem Russland einen neuen Rekord vermelden muss: 11.600 Neuinfektionen mit Sars-Cov-2 innerhalb von 24 Stunden. In keinem europäischen Land breitet sich das Virus so schnell aus wie in Russland.
Trotz täglich mehr als 10.000 neuen Corona-Infizierten werden in Russland die Maßnahmen gelockert. Seit heute findet ein Großteil des öffentlichen Lebens wieder statt.
Das Klinikpersonal arbeitet längst am Anschlag, Berichte über fehlende Schutzkleidung machen die Runde. Man habe die arbeitsfreie Zeit genutzt, um das Gesundheitswesen besser auszustatten, erklärt Putin in seiner Rede. Deswegen sei es nun möglich, schrittweise Lockerungen einzuführen.
Shutdown bedroht Russlands Firmen
Zur Wahrheit gehört aber auch: Wie lange sich Russlands Wirtschaft den Lockdown noch leisten könnte, ist fraglich.
In einem Interview Anfang April erklärte uns der Ökonom Andrej Netschajew: "Den kleinen und mittleren Unternehmen geht es genauso: Sie haben nicht die nötige Liquidität, um die laufenden Ausgaben zu bezahlen." Die Folge: Durch den Shutdown droht vielen Firmen die Pleite.
Wir haben in den vergangenen Wochen Menschen getroffen, die freiwillig auf die Hälfte ihres Lohns verzichten, damit die Firma, bei der sie angestellt sind, es vielleicht durch die Krise schafft. Der Staat hat Selbstständigen und Unternehmen finanzielle Hilfen versprochen. Doch, auch das hören wir bei unseren Drehs immer wieder: Die zu beantragen, ist ein bürokratischer Albtraum.
Ölpreis-Kollaps verschärft die Krise
Ein weiteres Problem für Russlands Wirtschaft: Die Nachfrage nach Erdöl ist durch Corona weltweit gesunken. Und das Land ist stark vom Rohstoff-Export abhängig. In einem Interview mit der russischen Zeitung "Vedomosti" gibt sich Russlands Finanzminister Anton Siluanow für 2020 wenig optimistisch: Die gesamtwirtschaftliche Produktion werde wohl um fünf Prozent sinken.
In Russland steigt die Zahl der neuen Corona-Infektionen dramatisch an. Über 10.000 Menschen haben sich innerhalb von 24 Stunden angesteckt – ein neuer Rekord im Land.
Corona, Lockdown, Rezession: Schon jetzt sind die Auswirkungen zu spüren. Seit April hat sich die Arbeitslosenzahl in Russland verdoppelt. In seiner Ansprache meinte Präsident Putin dazu: Die Situation sei kompliziert.
Phoebe Gaa leitet das ZDF-Studio in Moskau, der Autorin auf Twitter folgen: @phoebe_gaa
In Russland hält sich der Glaube, dass Alkohol Viren abtötet. Verfällt das Land in der Corona-Krise dem Alkohol? Je länger die Ausgangssperre dauert, desto mehr wird getrunken. Verglichen zum Vorjahr ist der Wodka-Verkauf im März um 65% gestiegen.