Clemens Tönnies behauptet, er habe aus Datenschutzgründen die Adressen seiner externen Mitarbeiter nicht vorlegen können. Datenschützer halten das für eine faule Ausrede.
Nach dem Corona-Ausbruch in seinem Fleischbetrieb kündigt Unternehmer Tönnies Reformen an - und weist Vorwürfe de Landkreises Gütersloh zurück. Das Statement in voller Länge.
Als Clemens Tönnies am Samstagnachmittag in Rheda-Wiedenbrück nach langem Schweigen vor die Presse trat, war es eine kleine Überraschung. Der Chef des gleichnamigen Fleischkonzerns wollte sich persönlich für den Corona-Skandal in seinem Betrieb in Rheda-Wiedenbrück erklären.
Es folgte eine Entschuldigung - und eine umstrittene Erklärung dafür, warum die Firma es bis Freitagnacht nicht geschaffte hatte, sämtliche Wohnadressen der Beschäftigten mitzuteilen. Diese sind wichtig, um die Infektionsketten nachvollziehen und nachverfolgen zu können.
Tönnies machte Datenschutzrichtlinien für die Verzögerungen verantwortlich. Von vielen Mitarbeitern seien die Adressen vorhanden und übermittelt worden - doch bei Arbeitskräften, die von externen Dienstleistern kämen, hätte man die Daten nicht speichern dürfen, betonte er. Das gehe aus Gründen des Werkvertragsrechtes nicht.
Vor dem Betriebsgelände versammelten sich etwa 60 Menschen, um gegen die Zustände im Schlachtbetrieb zu protestieren.
Datenschutzbeauftragter kritisiert Tönnies "Schutzbehauptung"
Für diese Äußerung erntet Tönnies nun Kritik von Datenschutzexperten. "Das sieht nach einer ganz durchschaubaren Schutzbehauptung aus", schrieb der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Ulrich Kelber (SPD), auf Twitter und verwies auf das Infektionsschutzgesetz. Demzufolge müssten Betriebsstätten Bescheinigungen samt Adressen ihrer Mitarbeiter vorliegen - und diese dürften nicht älter als drei Monate sein.
"Wie Herr Kelber anmerkt, sind in Lebensmittelverarbeitenden Betrieben die Nachweise nach dem Infektionsschutzgesetz Pflicht von allen Mitarbeitern", bestätigt Datenschutzexpertin Ina Schöne auf Anfrage von ZDFheute. Gleichzeitig gebe es das Gesetz der Lebensmittelsicherheit, das Tönnies ebenfalls einzuhalten habe, sowie alle sonstigen Arbeitsschutzgesetze.
Experten verweisen nach Tönnies-Aussage auf DSGVO
Auch Datenschützer Peter Schaar von der European Academy for Freedom of Information and Data Protection kritisiert Tönnies. "Dass Tönnies die Adressen der Vertragsbeschäftigten angeblich aus Datenschutzgründen nicht speichern durfte, ist eine reine Schutzbehauptung“, schrieb er in einem Tweet.
Schaar zieht Artikel 6 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO ) zurate, der die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten regelt.
Bei Arbeitnehmern gelte der Unterpunkt b, in dem es heißt:
Bei Leihbeschäftigten gelte wiederum Unterpunkt f:
Datenschutzexpertin Schöne ergänzt, dass in der Corona-Situation auch der Unterpunkt e zähle, demzufolge die Verarbeitung der persönlichen Daten erforderlich ist, wenn eine Aufgabe ausgeführt wird, "die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde". In der Coronakrise gilt die Versorgung mit Lebensmitteln - darunter auch Fleisch - als systemrelevant.
Wegen des Corona-Ausbruchs bei der Fleischfabrik Tönnies schließt NRW-Ministerpräsident Laschet einen Lockdown nicht aus. Zuerst sollen aber begrenztere Maßnahmen ergriffen werden.
Laschet sieht verschiedene Rechtsauffassungen
Außerdem betont sie, dass es bei der Verarbeitung der Daten keine Unterschiede zwischen Tönnies-Angestellte und den Angestellten externer Dienstleister geben könne.
Auch Armin Laschet (CDU) äußerte sich am Sonntag zu Tönnies‘ Datenschutz-Behauptung. In dieser Frage gebe es im Moment verschiedene Rechtsauffassungen, so der Ministerpräsident von NRW. Gegebenenfalls müssten Gesetze entsprechend geändert werden.
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Ob Corona-Maßnahmen gelockert oder verschärft werden, hängt auch von der sogenannten Sieben-Tage-Inzidenz ab. Eine Karte zeigt, ob die Obergrenze in Ihrer Region eingehalten wird.