Ein Jahr größerer Aktienindex:Was hat die Dax-Aufstockung gebracht?
20.09.2022 | 08:39
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Vor einem Jahr erweiterte die Deutsche Börse ihren Leitindex von 30 auf 40 Mitglieder. Seitdem gelten auch strengere Regeln für die Aufnahme. Hat sich der größere Dax bewährt?
Was versteht man unter dem DAX?
Dax steht für "Deutscher Aktienindex". Darin sind die 40 größten und umsatzstärksten deutschen Aktiengesellschaften vertreten, deren Aktien an der Börse gehandelt werden.
Quelle: dpa
Er gilt als Aushängeschild der deutschen Wirtschaft: der Dax. Abend für Abend wird der aktuelle Stand des Börsenbarometers im Fernsehen gemeldet, die Anzeigetafel aus dem Frankfurter Handelssaal dürfte Millionen Menschen bekannt sein. Doch ist der Deutsche Aktienindex wirklich ein Abbild der heimischen Wirtschaft?
Zum 20. September 2021 brachte die Deutsche Börse eine Reform auf den Weg: Die erste deutsche Börsenliga wurde von 30 auf 40 Mitglieder erweitert. Zudem gelten seither strengere Regeln für Unternehmen, die in den Dax aufrücken und dort bleiben wollen. Die Bilanz nach einem Jahr Dax 40 fällt gemischt aus.
Nachhaltigkeit spielt weiter keine Rolle
"Die breitere Diversifizierung ist positiv zu sehen", sagt der Geschäftsführer des Center for Financial Studies an der Frankfurter Goethe-Universität, Volker Brühl. "Allerdings ist zu bemängeln, dass das Thema Nachhaltigkeit/ESG nach wie vor so gut wie keine Rolle im Dax spielt. Das passt einfach nicht in die heutige Zeit." Kriterien wie Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung - kurz ESG (englisch für: Environmental Social Governance) - bekommen für Privatanleger und Profiinvestoren immer mehr Gewicht.
Es ist eine Chance vertan worden, den Dax grüner zu machen.
Volker Brühl, Goethe-Universität Frankfurt
"Das ist ein Konstruktionsfehler, der dringend behoben werden muss", meint Brühl: "Jedes Unternehmen, das in den Dax aufgenommen wird, sollte ein bestimmtes Nachhaltigkeitsranking, einen ESG-Score erreichen."
Dax-Evolution statt Revolution
Die fehlende Berücksichtigung von ESG-Kriterien bemängelt auch Andreas Strobl, Leiter deutsche Aktien im Wealth & Asset Management der Privatbank Berenberg. Sein Fazit:
Die Dax-Erweiterung ist definitiv eine schlüssige Weiterentwicklung gewesen - doch es bleibt mehr eine Evolution als eine Revolution.
Andreas Strobl, Privatbank Berenberg
Lange wurde der Dax, den es seit 1988 gibt, von vier Branchen dominiert: Chemie, Automobil, Energie, Finanzen. Die Öffnung für weitere Unternehmen sollte nach Vorstellung der Deutschen Börse auch dafür sorgen, dass zum Beispiel aufstrebende Internetfirmen einen Platz im Schaufenster der deutschen Wirtschaft bekommen.
Deutsches Unternehmensspektrum besser abgedeckt
Als weiteres Schwergewicht im Dax kam vor einem Jahr der deutsch-französische Flugzeughersteller Airbus hinzu. Außerdem: der Chemikalienhändler Brenntag, der Kochboxenlieferant Hellofresh, die Holdinggesellschaft Porsche, der Sportartikelhersteller Puma, das Biotechnologie- und Diagnostikunternehmen Qiagen, der Pharma- und Laborzulieferer Sartorius, der Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers, der Aromen- und Duftstoffehersteller Symrise sowie der Online-Modehändler Zalando.
"Das Unternehmensspektrum der deutschen Wirtschaft wird durch die Erweiterung inzwischen besser abgedeckt", findet Marc Decker, stellvertretender Aktienchef von Quintet, der Muttergesellschaft von Merck Finck. "Allerdings bleibt die Aufstockung trotzdem nur ein zaghafter Versuch, den weiterhin industrielastigen Dax umzugestalten. Weiterhin bleiben Unternehmen aus dem IT-Sektor im weitesten Sinne Mangelware im deutschen Leitindex."
Auch im neuen Dax wenig Kontinuität
Einer der erst vor einem Jahr aufgenommenen Wachstumswerte, Hellofresh, muss sich bereits wieder aus der ersten deutschen Börsenliga verabschieden. Der höhere Börsenwert spült zum 19. September des laufenden Jahres das Energieunternehmen Siemens Energy zurück in den Dax. In einem 2022 insgesamt wechselhaften Börsenumfeld sackten unter anderem die Aktien der Dax-Aufsteiger Hellofresh und Zalando erheblich ab. Beide Unternehmen büßten seit der Aufnahme in den Dax vor einem Jahr mehr als 70 Prozent ihres Börsenwertes ein.
"Nach wie vor gibt es ein ziemliches Auf und Ab in der Dax-Zusammensetzung. Mehr Kontinuität wäre wünschenswert", sagt der Frankfurter Professor Brühl.
Man muss aber fairerweise sagen, dass die häufigen Wechsel in jüngerer Zeit auch der hohen Volatilität geschuldet sind.
Volker Brühl, Goethe-Universität Frankfurt
Die Deutsche Börse hat sich nach dem Betrugsskandal und verspäteten Dax-Rauswurf des Münchener Zahlungsdienstleisters Wirecard vorgenommen, nur noch profitable Unternehmen in den Dax aufzunehmen.
Uwe Streich, Aktienstratege bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), meint, diese Regeländerungen seien auf jeden Fall positiv zu bewerten: Sie seien wahrscheinlich mit das Beste an der Dax-Reform.
Quelle: Jörn Bender, dpa und Claudia Müller, dpa-AFX
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