Delivery-Hero ist Pandemiegewinner ohne Gewinn: Der Dax-Konzern wächst weiter stark, macht aber auch hohe Verluste. Der Ausblick aufs Gesamtjahr entsetzt Anleger nun.
Sie waren die wenigen Stimmungsaufheller während der Pandemie. Wenn Geschäfte und Restaurants geschlossen hatten und gar nichts mehr ging, war auf die Radler mit den bunten Anzügen immer Verlass. Sie kamen pünktlich und versorgten einen mit Essen.
Unternehmen wie Delivery Hero profitierten davon. Waren sogenannte Pandemiegewinner. Für das Berliner Unternehmen war der Aufstieg sogar so rasant, dass es in Deutschlands Vorzeige-Index an der Börse aufgenommen wurde. Seit 2020 ist es im Dax vertreten und dies ohne jemals einen Gewinn erzielt zu haben.
Ausblick entsetzt Anleger
Diesbezüglich bleibt sich der Essens-Lieferant treu. Trotz starken Wachstums bei den Bestellungen gab es im Gesamtjahr 2021 wieder keine schwarzen Zahlen. Im Gegenteil. Hohe Verluste wurden erzielt. Allein im vierten Quartal waren es 780 Millionen Euro.
Doch nicht allein das enttäuschte die Börse. Es war vielmehr der Ausblick. Über den waren die Anleger regelrecht entsetzt. Der Bruttowarenwert, also die von den Kunden bestellte Ware, beziffert Delivery Hero für 2022 mit maximal 45 Milliarden Euro. Zu wenig für die Anleger. Unterm Strich hieße das in diesem Jahr wieder Verlust.
zoomIN hat Lieferdienste unter die Lupe genommen:
Lebensmittellieferdienste boomen: Flink, Gorillas, Grovy oder Getir erobern deutsche Städte. Muss man als Konsument*in beim Bestellen ein schlechtes Gewissen haben?
Deshalb ging der Kurs am Donnerstag teilweise um über 30 Prozent runter. Zeitweise wurde die Aktie sogar vom Handel ausgesetzt, um die Abwärtsspirale nicht eskalieren zu lassen. Die Anleger scheinen genug zu haben von Erwartungen und Gewinnversprechungen. Mit dieser Strategie versucht Delivery Hero seine Investoren seit Jahren bei Laune zu halten.
Größe, Größe und nochmals Größe
Man opfert den Gewinn auf dem Altar des schieren Wachstums und kauft überall auf der Welt Unternehmen dazu. Mit der im Januar angekündigten Übernahme des spanischen Konkurrenten Glovo hat Delivery Hero seine Ambitionen auf dem Weltmarkt noch einmal deutlich gemacht. Für Konzernchef Nicolas Östberg ist dieser Weg alternativlos:
In der Tat ist der Markt brutal. Lieferdienste sprießen wie Pilze aus dem Boden. Aber während Konkurrent Uber Eats bereits in der Gewinnzone unterwegs ist, versuchen die Berliner, immer noch weiter zu wachsen.
Der Corona-Effekt verpufft
Neben diesem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb macht Delivey Hero aber auch die veränderte Haltung der Anleger zu schaffen.
In Zeiten, in denen sich am Horizont ein Ende der Corona-Pandemie abzeichnet, könnte der Boom der sogenannten "Stay-at-Home-"Aktien vorbei sein. Da will man als Anleger nicht derjenige sein, der den Zug verpasst.
"Beeil dich, Sklave." Solche Worte bekommen Fahrradkuriere zu hören. Manchmal bleibt es nicht bei Worten. Wie die Lieferdienste reagieren.
Außerdem könnten bald die Zinsen erhöht werden. Da stehen viele sogenannte Tech-Aktien auf dem Prüfstand. Ihre Geschäftsmodelle werden dahingehend überprüft, ob sie steigende Zinsen verkraften können und ob sie überhaupt zukunftsfähig sind. Deshalb fliegen viele dieser Aktien zur Zeit aus den Depots.
Delivery Hero zählt dazu und gehört schon seit längerem zu den schwächsten Aktien im Dax. Seit Jahresbeginn hat sie mehr als die Hälfte ihres Kurses eingebüßt. Sollte dies noch länger so weiter gehen, könnte die Mitgliedschaft im Dax nur eine kurze Episode gewesen sein.
Finanz-Experte Klaus Weber ist Mitglied der ZDF-Redaktion Wirtschaft und Finanzen