Zwei wichtige Fragen wurden in der Generaldebatte gestreift: die eine betrifft Deutschlands Abhängigkeit von China, die andere das Lernen aus der Krise. Die Antworten: ernüchternd.
Die Rede von Friedrich Merz, der als Chef der größten Oppositionspartei die Generaldebatte eröffnen darf, erzählt viel über die Schwierigkeiten der Union ihre Rolle in eben dieser Opposition zu finden. Merz muss Dinge kritisieren, für die nicht zuletzt die von der Union geführten Bundesregierungen der letzten 16 Jahre verantwortlich sind.
Mit China könne der nächste große Konflikt für die ganze Welt drohen, befürchtet Merz völlig zu Recht und fragt:
Wie würde Deutschland reagieren, wenn China Taiwan überfällt?
Zunächst einmal muss man sagen, dass Merz bei seiner Frage falsch liegt. Peking findet klare Worte zu diesem Krieg. Die staatliche Propaganda sieht China eng verbunden mit Russland in einem Bündnis gegen den Westen. Wer einen Eindruck davon bekommen und ein bisschen schaudern will, muss nur die englische Ausgabe der parteinahen Global Times lesen oder die Twitter-Nachrichten der Sprecherin des chinesischen Außenministeriums Hua Chunying.
Die andere Frage ist natürlich. Welche Antwort gibt Europa, gibt Deutschland darauf? Insbesondere wenn China mit Waffenlieferungen Russland unterstützen sollte? Oder – noch weiter in die Zukunft gedacht – wenn Peking sich entschließen sollte, Taiwan zu überfallen – so wie Russland die Ukraine?
Die Antworten darauf sind ernüchternd, weil die Schwierigkeiten für Deutschland noch wesentlich größer sein könnten. Anders als bei Russland geht es nicht um Kohle, Öl oder Gas, sondern um High Tech, also um eine Abhängigkeit, die noch viel schwerer wiegt.
Sehen Sie hier Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) in der Generaldebatte im Bundestag.
China als wichtigster Handelspartner Deutschlands
Einen ersten Vorgeschmack bekam Deutschland zuletzt bei der Diskussion, ob man dem chinesischen Huawei-Konzern erlauben kann, beim Ausbau des 5G Netzes hierzulande dabei zu sein. Merkel und der damalige Wirtschaftsminister Altmaier waren strikt dafür: Türen auf für Huawei, auch wenn man damit auch Pekings Spionage die Tore öffnet. Denn umgekehrt erhofften sich Merkel und Altmaier weiter gute Geschäfte der deutschen Autohersteller und Chemiekonzerne in China.
Unter Merkel hieß dieser Ansatz "strategische Partnerschaft", und er sorgte einerseits dafür, dass China mit einem Handelsvolumen von inzwischen 245 Milliarden Euro seit Jahren Deutschlands wichtigster Handelspartner ist. Andererseits führte es zu einer gefährlichen China-Naivität, die sich nun zu rächen droht.
Die Abhängigkeit zum Beispiel deutscher Autobauer vom chinesischen Markt würde im Falle eines Konfliktes mit China zu ungleich größeren Verwerfungen in Deutschland führen, als aktuell die Aussicht auf ein Embargo auf russisches Öl und Gas.
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China braucht Europa
Womit man bei der zweiten wichtigen Frage in dieser Generaldebatte angekommen ist: das Lernen aus der Krise. "Große Krisen sind immer auch ein Anstoß zu Aufbruch und Veränderung." Das sagte Kanzler Scholz heute – quasi als Antwort auf Merz.
Auf die Abhängigkeit von China bezogen, müsste es bedeuten, dass Deutschlands China-Politik weniger eine Auto-Politik ist. Oder anders: Dass VW & Co sich unabhängiger machen vom chinesischen Markt. Und dass Europa seine eigene Marktmacht gegenüber China nutzt. Denn hinter dem riesigen Handelsvolumen steht eine oft übersehene Wahrheit: China exportiert zwei Mal so viel in die EU als die EU nach China. Heißt: China braucht Europa mindestens so viel wie Europa China.
Vor ein paar Tagen hat Außenministerin Baerbock angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine eine neue Nationale Sicherheitsstrategie angekündigt. Ein wichtiges Kapitel darin wird auch eine neue China-Politik sein. Es wird, soviel scheint jetzt schon klar, ein Bruch mit Merkels Politik sein. Ob es am Ende auch zu weniger Abhängigkeit von Peking führt, ob aus den Krisen auch gelernt wird, das wird sich erst noch zeigen müssen.
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