Steigende Energiepreise treffen Rentner am stärksten

    Steigende Energiepreise:Stark betroffen: Rentner und Geringverdiener

    14.08.2022 | 12:15
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    Der rasante Anstieg der Energiekosten steht uns noch bevor, die Regierung arbeitet bereits an Entlastungspaketen. Aber reicht das? Und wen trifft die Kostenexplosion am meisten?

    Archiv: eine Frau dreht am Thermostat einer heizung.
    Vor allem die Heizkosten werden im Winter zu einem großen Problem werden.
    Quelle: dpa

    Der starke Anstieg der Energiepreise wird aus Sicht von Experten Rentner und Geringverdiener finanziell härter treffen als Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Denn bei Letzteren übernimmt der Staat einen Großteil der Kosten, wie die Bundesagentur für Arbeit und der Deutsche Städtetag mitteilten.
    Nach Angaben des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW hat ein beträchtlicher Teil der arbeitenden Bevölkerung zudem keine finanziellen Reserven.

    Jeder dritte Haushalt ohne nennenswerte Rücklagen

    "Jeder dritte Haushalt in Deutschland hat kein nennenswertes Erspartes, auf das er in diesen Krisenzeiten zurückgreifen kann, um die höheren Kosten für das Heizen oder die Lebensmittel abzudecken", sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in Berlin.

    Sie sind es, die in dieser Krise doppelt hart getroffen sind: Sie erfahren persönlich eine drei- bis viermal höhere Inflation als Menschen mit hohen Einkommen, und sie haben keinerlei Absicherung, um mit den Mehrkosten umzugehen.

    Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung

    Menschen ohne Wohngeld oder Sozialhilfe haben es am schwersten

    Sozialhilfeempfänger bekämen die Kosten für Verpflegung und Unterkunft erstattet, sagte Hans Maier, der Direktor des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen. "Das ist nicht unsere größte Problemgruppe. Sondern das sind die Menschen, die kein Wohngeld oder keine Sozialhilfe empfangen, zum Beispiel Rentner."
    Menschen, die diese staatliche Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern II und XII beziehen, könnten die erhöhten Kosten beim Jobcenter beziehungsweise Sozialamt geltend machen, erklärte ein Sprecher des bayerischen Caritas-Landesverbands. Und diese würden in der Regel in tatsächlicher Höhe übernommen.

    Schätzung des VdW: Steigerung des Gaspreises um 140 Euro monatlich

    Bisher spüren viele Bürger den Anstieg der Energiekosten noch nicht in vollem Ausmaß. Das wird sich nach Einschätzung quasi aller Fachleute in den nächsten Monaten ändern.
    Laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat sich der Gaspreis allein zwischen 2020 und 2021 im Jahresschnitt bereits verfünffacht.
    Erdgaspreis
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    Eine weitere Verteuerung wird erwartet. Dazu kommt noch die Gasumlage, deren Höhe die Bundesregierung am Montag bekannt geben will. Und abgesehen vom Gas dürften auch Lebensmittel, Strom und viele andere Dinge teurer werden.
    "Der Anstieg der Energiekosten wird nicht nur die Schwellenhaushalte treffen, sondern auch den Mittelstand", prophezeite deswegen Hans Maier.

    Ich glaube, dass mehr Menschen die Vorauszahlungen, vielleicht auch irgendwann die Miete nicht mehr bezahlen können.

    Hans Maier, Direktor des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen

    Olaf Scholz: Weitere Hilfen angekündigt

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versprach weitere Hilfen für die Bürger, aber die Höhe ist bislang unklar.
    "Es wird ein weiteres Paket geben", sagte Scholz am Donnerstag bei der Sommer-Pressekonferenz und verwies auch auf beschlossene Hilfen. Man stütze sowohl Empfänger von Unterstützungsleistung als auch Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen, sagte der Kanzler.

    Wir werden alles dafür tun, dass sie durch diese schwierige Zeit kommen.

    Olaf Scholz, Bundeskanzler

    Daher sei auch das geplante Steuer-Entlastungspaket von Finanzminister Christian Lindner (FDP) richtig. "Ich finde das sehr hilfreich." Es gehe darüber hinaus auch um Hilfen für Rentner und Studierende, sagte Scholz.

    DIW-Chef: Sind Lindners Pläne wirklich gerecht?

    Fratzscher betont in einem aktuellen Blog-Post des DIW, "dass Menschen mit geringen Einkommen wenig oder gar keine Entlastung durch diesen Plan erhalten." Der Bundesfinanzminister sage zwar zu Recht, dass 48 Millionen Menschen in Deutschland profitieren werden. Im Umkehrschluss bedeute dies jedoch auch, dass etwa 35 Millionen Menschen von der Entlastung nichts haben werden – dies seien zum größten Teil Menschen mit geringen Einkommen.

    Da Menschen mit höherem Einkommen mehr Steuern zahlen, erzielen sie auch die höchsten Steuerersparnisse. Genau gesagt werden knapp 70 Prozent der rund zehn Milliarden Euro, die Lindners Vorschlag kostet, den 30 Prozent der Menschen mit den höchsten Einkommen zugutekommen.

    Marcel Fratzscher, DIW-Präsident

    Weniger Einkommen: Erst Überschuldung, dann Privatinsolvenz?

    Auf Dauer führe weniger Einkommen "erst in die Überschuldung und dann möglicherweise in die Privatinsolvenz", sagte Frank Schlein, Geschäftsführer der Wirtschaftsauskunftei Crif. Gerade für finanzschwache Haushalte werde sich die finanzielle Lage zuspitzen - "auch weil die finanziellen Reserven durch Einbußen in der Corona-Pandemie aufgebraucht worden sind", sagte Schlein - etwa wegen Kurzarbeit.
    Quelle: dpa, Reuters, ZDF

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